Diese beiden Hocker stehen stellvertretend für die vielen tief verstörenden Dinge, die weltweit von Menschen geschmuggelt werden. Anderthalb Millionen beschlagnahmte Objekte dieser Art lagert der U.S. Fish and Wildlife Service in einem Depot in Denver, Colorado. Um die konfiszierte Schmuggelware im Lager zu verteilen, werden große Rollwagen eingesetzt.
Ich habe diese Körperteile so positioniert, dass sie eine gewisse Würde ausstrahlen, um den Tieren Respekt zu zollen, deren Leben geopfert wurde aus Geltungssucht, Habgier und Aberglauben.
Nikon D810, 2.8/24-70mm, ISO 500, Stativ, Pro LED Lampe
Während der letzten 25 Jahre habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, im Frühling Schneehasen in den Berg-Birkenwäldern von Zentral-Norwegen zu fotografieren. Diese Tiere sind nachtaktiv – auch zur Paarungszeit finden die meisten Aktivitäten im Schutz der Dunkelheit statt. Regelmäßig kommt es zu Kämpfen zwischen den Männchen, sei es um Nahrung oder um ein Weibchen, aber bedingt durch die nächtliche Lebensweise kann man dieses Verhalten nur selten beobachten.
Ich habe sehr lange versucht, ein Bild wie dieses zu machen, bei dem alles stimmt: Die Hasen nehmen eine perfekte Position ein, und leichter Schneefall unterstreicht die Magie dieses Augenblicks.
Nikon D800E, 2.8/300mm, ISO 3200, Stativ, 1000W-Scheinwerfer
von Prof. Dr. Beate Jessel
Die prämierten Aufnahmen des Wettbewerbs Europäischer Naturfotograf des Jahres bieten eine herausragende Auswahl packender, witziger, poetischer und inspirierender Fotografien. Auch in diesem Jahr bin ich beeindruckt von der Vielfalt der Motive und der großartigen künstlerischen Umsetzung der Bilder, die den Facettenreichtum der Natur aus mitunter überraschenden und ungewöhnlichen Perspektiven widerspiegeln. Die emotionale Stärke der Aufnahmen verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig Naturfotografie ist: Sie transportiert die Faszination, die Natur auf uns ausübt und trägt so zu einem besseren Verständnis und einem größeren Bewusstsein für ihre Schutzwürdigkeit bei. Erstmals in den 17 Jahren seines Bestehens wurden in dem Wettbewerb zwei Siegerfotografien ausgewählt, die einerseits in Inhalt und Ausdruck völlig unterschiedlich sind, jedoch in ihrer Dualität sehr gut miteinander harmonieren. Erlend Haarberg aus Norwegen ist es gelungen, mit den beiden Schneehasen (Lepus timidus) ein seltenes Motiv einzufangen. Selten, da Schneehasen in Norwegen als potentiell gefährdete Art eingestuft sind; der in Deutschland lebende Alpenschneehase ist gar extrem selten. Selten aber auch, da die eher nachtaktiven Schneehasen mit ihrem weißen Haarkleid in der Dunkelheit perfekt getarnt sind. Kein Schattenwurf verrät sie in der verschneiten Landschaft. Sehr ästhetisch vermittelt dieses Naturbild Kraft und Lebendigkeit, ja auch ein Gefühl des Geheimnisvollen und Besonderen. Dies gilt umso mehr, als dass sich Betrachtende durch die Perspektive und das Gegenlicht wie heimliche Beobachter fühlen. Auf dem zweiten Siegerfoto dokumentiert die seit vielen Jahren in London lebende Deutsche Britta Jaschinski die Brutalität gegenüber der Natur auf so künstlerische Weise, dass das Motiv den Blick geradezu magisch anzieht. Die zwei auf einem Lastenwagen stehenden konfiszierten Hocker aus Elefantenfüßen und Zebrafell wirken fesselnd und bedrückend zugleich. Sie demonstrieren beispielhaft die Ausmaße der Nachfrage nach Wildtierprodukten. Die Überwachung und Reglementierung des internationalen Handels mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen ist Ziel des 1973 geschlossenen Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES). Die Umsetzung dieses Abkommens ist und bleibt auch 2017 eine große und zugleich wichtige Herausforderung, stellt doch der Handel eine der Hauptgefährdungen für den Bestand wildlebender Tiere und Pflanzen dar. Gerade in ihrem Zusammenwirken führen uns die beiden Siegerfotografien die Lebendigkeit und Kraft, aber auch die Verletzlichkeit unserer Natur vor Augen. Sie unterstreichen so die Verantwortung, die wir für den sorgsamen Umgang mit der Natur tragen, damit auch unsere Kinder ihre Vielfalt erleben können. Nun möchte ich Sie einladen, die prämierten Fotografien zu bewundern und sich inspirieren zu lassen. Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte, und ich würde mich freuen, wenn Sie auch die vielen kleinen Geschichten der Natur in Ihrem Alltag wieder bewusster wahrnehmen.
Prof. Dr. Beate Jessel
Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz
von Kathy Moran
Einen Foto-Wettbewerb zu jurieren, insbesondere, wenn es sich um einen so hochkarätigen handelt wie den Europäischer Naturfotograf des Jahres, ist eine unvergleichliche Erfahrung. Es ist ein Prozess, in dessen Verlauf man ein Wechselbad von Emotionen durchläuft – Demut und Begeisterung, Verzweiflung und pures Glück. Man mische eine Gruppe professioneller Fotografen mit völlig unterschiedlichen Schwerpunkten und eine Foto-Redakteurin, und man kann davon ausgehen, dass die Funken fliegen werden. Aber aus diesem Funkenflug entstehen leidenschaftliche Diskussionen, überzeugende Argumentationen, gute Laune und der gemeinsame Wille, herausragende Naturfotografie auszuzeichnen. Meine Mitstreiter in dieser Jury waren Isabel Diez, Audun Rikardsen, Werner Bollmann und Jonathan Lhoir, allesamt versierte und erfahrene Fotografen.
Zu behaupten, dass ich Potsdam mit dem Gefühl verlassen habe, auf ganz wunderbare Weise gefordert worden zu sein, käme einer Untertreibung gleich. Die Tage dort waren wieder einmal eine Bestätigung dafür, dass wir alle voneinander lernen können, und dass jedes Zusammentreffen dieser Art die großartige Chance birgt, Fotografie aus einem ganz neuen Blickwinkel zu betrachten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder von uns im Verlauf der Vorjurierung, als wir zuhause alleine vor unseren Rechnern saßen, glaubte, der perfekte Juror zu sein und alle Antworten zu kennen. Aber nur dadurch, dass wir gemeinsam so lange in einem abgedunkelten Raum gearbeitet haben, konnten wir zu diesem überraschenden Ergebnis gelangen: Es gibt in diesem Jahr zwei Gesamtsieger – Erlend Haarbergs dynamische „kämpfende Schneehasen“ und Britta Jaschinskis erschütternde „Fuß-Schemel“.
Was hat uns zu dieser unkonventionellen Entscheidung bewogen, die einmalig ist in der Geschichte dieses Wettbewerbs? Eine Entscheidung, die uns wahrlich nicht leicht fiel, und die ganz sicher nicht zustande kam, weil es an Durchsetzungskraft oder Überzeugungsarbeit gemangelt hätte. Als Jury spürten wir, dass wir uns alle auf dieselbe Erkenntnis zubewegten – Naturfotografen und Foto-Wettbewerbe verfolgen zeitgleich zwei Zielsetzungen: Zum einen honorieren sie Aufnahmen von Tieren oder Landschaften, die durch ihre Schönheit bestechen, zum anderen würdigen sie Bilder, die Fragen aufwerfen, die kontrovers diskutiert werden können, oder, was vielleicht am wichtigsten ist, dazu beitragen, ein Bewusstsein für die immense Bedrohung von Arten und Lebensräumen zu wecken. Wie sollten wir als Fotografen, Redakteure und vor allem als Juroren mit der Herausforderung umgehen, das Für und Wider abzuwägen zwischen einzigartiger Ästhetik und inhaltlicher Botschaft? Das war unser Dilemma und letztendlich unsere Rettung. Es bestand nie ein Zweifel daran, dass die Bilder von Erlend und Britta innerhalb ihrer Kategorien – „Säugetiere“ und „Mensch und Natur“ – wohlverdient den ersten Platz belegten. Und obwohl die Sieger der anderen Kategorien sicherlich großartig sind, waren es diese beiden Aufnahmen, die immer weiter nach vorne strebten. Und dann begann die große Debatte!
Wir alle haben schon unzählige Bilder von kämpfenden Hasen gesehen und leider auch viel zu viele Aufnahmen von Tieren, die der Wilderei zum Opfer gefallen sind. Was zeichnet also diese beiden Bilder aus, dass sie uns vor eine so schwierige Entscheidung stellen konnten? Erlends Hasen sind pure Magie, der entscheidende Moment, dem Dunkel der Nacht entlockt, der Zeit, in der diese Tiere kämpfen. Durch seine Entscheidung für eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, können wir uns auf die Form konzentrieren, die Energie, die Explosion von Schnee. Gegenlicht und Schatten lassen die Tiere größer erscheinen, betonen ihre Entschlossenheit, sich auf den Kampf zu konzentrieren, und nicht auf den Fotografen. Die Aufnahme ist aus technischer und ästhetischer Sicht perfekt – ein Moment, der alle Aspekte herausragender Fotografie beinhaltet. 25 Jahre lang hat Erlend das Leben der Schneehasen in den Birkenwäldern der norwegischen Berge dokumentiert – dieses Bild gemacht zu haben, war sicher jedes dieser Jahre wert.
Anders als Erlend hatte Britta die Situation fotografisch vollständig unter Kontrolle. Wobei man nicht vergessen darf, dass sie sich im Unterschied zu ihrem Kollegen zunächst einmal durch die Bürokratie des „U.S. Fish and Wildlife Service“ quälen musste. Nachdem aber die erforderlichen Genehmigungen erteilt waren, konnte sie mit ihrer Arbeit beginnen. Während Erlends Hasen erfreuen, stoßen Brittas Elefantenfüße den Betrachter ab und fesseln ihn zugleich. Indem sie die Füße auf einen Rollwagen vor einem farblich ausgewählten Hintergrund stellte, hoffte Britta, ein Gefühl von Respekt zu erwecken, und jenen Tieren ihre Würde zurückzugeben, deren Leben – so ihre Worte – „… geopfert wurde aus Geltungssucht, Habgier und Aberglauben.“. Ungeachtet aller Vorbereitung, ist es ein sehr direktes, unmittelbares Bild. Es lässt sich zwar durch die Art der Ausleuchtung, der Komposition und der Wahl des Motivs ohne Zweifel in Brittas Portfolio einordnen, aber es ist die Präsenz der beiden Füße, die dieses Bild ausmacht. Einfach und unverfälscht. Es bedarf keiner weiteren Zutaten, um den Betrachter zu fesseln, zu informieren, zu schockieren und traurig zu stimmen.
Stellt man die beiden Aufnahmen nebeneinander, fallen mehrere Aspekte sofort ins Auge: Beide Bilder sind schwarz-weiß. Beide haben zwei „Akteure“. Beide stammen ganz offensichtlich von Fotografen, deren Arbeit im Hinblick auf Technik und Bildsprache höchsten Ansprüchen gerecht wird. Und dann gibt es da noch eine überraschende Symmetrie zwischen den Aufnahmen: Zwei Hasen und zwei Füße, ein Bild entzückend, das andere erschreckend, zwei Seiten derselben Münze. Wir diskutierten und diskutierten. Sollten wir den Moment auszeichnen oder die Aussage? Ich weiß nicht mehr, wessen Idee es war, beide Bilder zum Gesamtsieger zu erklären, aber nachdem der Gedanke geboren war, gab es kein Zurück mehr. Keiner von uns hatte Einwände oder Bedenken, beide Bilder gleichberechtigt als Sieger zu präsentieren. Ganz im Gegenteil waren wir alle der Auffassung, dass die Prämierung zweier so unterschiedlicher, hervorragender Bilder ganz dem Grundgedanken dieses Wettbewerbs entspricht: Die Schönheit der Natur in atemberaubenden Bildern hervorzuheben, und zugleich mit der Präsentation dokumentarischer Aufnahmen auf die Notwendigkeit des Natur- und Artenschutzes hinzuweisen. Wir hoffen, dass Sie uns zustimmen werden!
Auch wenn ich mich sehr auf das Überraschungsmoment der beiden Gesamtsieger konzentriert habe, möchte ich es an dieser Stelle nicht versäumen, auch auf die hohe Qualität und inhaltliche Vielfalt der anderen Wettbewerbsbilder hinzuweisen. Manche sind humorvoll, andere abstrakt, und wieder andere zeigen uns einmalige Augenblicke in der Natur. Und wie immer sind die Ergebnisse der Jugendkategorie einfach sehr erfreulich. Es war ein Privileg für mich, jedes der zu diesem Wettbewerb eingesandten Bilder betrachten zu dürfen, und eine Ehre, Mitglied dieser Jury zu sein.
Im Namen der Jury,
Kathy Moran