IM WALD DER MONARCHEN
Dicht gedrängt hängen überwinternde Monarchfalter (Danaus plexippus) in den Bäumen des mexikanischen El Rosario Monarch Butterfly Schutzgebiets. In diesen hohen Lagen ist es kühl und relativ feucht, und die Monarchfalter haben sich an die gleichen ökologischen Bedingungen angepasst wie die Bäume, meist Oyamel-Tannen (Abies religiosa). Die Falter sind durch die Baumkronen und auch durch ihre Zusammenballung in riesigen Mengen vor der Witterung gut geschützt, doch schon kleinste Veränderungen in der Walddecke können das empfindliche Mikroklima, an das sich die Schmetterlinge angepasst haben, negativ beeinflussen. Trotz der Erhaltungsmaßnahmen, die zur Einrichtung des Schutzgebiets führten, war die Abholzung in den frühen 2000er Jahren immer noch ein Problem. Eine von Mexiko geführte internationale Koalition aus Regierungen und gemeinnützigen Naturschutzorganisationen richtete in dieser Zeit einen Treuhandfonds ein, um mit den lokalen Gemeinden zusammenzuarbeiten und die Abholzungsrate zu verringern, die seit 2009 stetig zurückgeht.
Nikon Z9, 100-400mm, ISO 800
BIOGRAFIE JAIME ROJO
Jaime Rojo ist ein spanischer Fotograf, der seine Leidenschaft für die wilde Natur, seinen Erfahrungsschatz in der Umweltarbeit und seine Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, miteinander verbindet, um visuelle Storys zu entwickeln, in deren Mittelpunkt die Wildnis und die Tierwelt stehen. Als überzeugter Verfechter des Naturschutzes hofft er, dass seine Bilder letztendlich zu einem Werkzeug für den Schutz der Umwelt werden können. Er studierte Umweltwissenschaften in Madrid und begann seine berufliche Laufbahn 2004 in Mexiko, wo er in einer Naturschutzorganisation arbeitete, um die Einrichtung neuer Schutzgebiete, biologischer Korridore und Wiederaufforstungsmaßnahmen zu fördern. Nach mehr als 15 Jahren im Ausland, in denen er zahlreiche Umweltkommunikations-Kampagnen leitete, kehrte Jaime 2020 nach Spanien zurück, wo er seine Arbeit im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit fortsetzt. Zu seinen jüngsten Projekten gehören Saving the Monarchs, eine Fotostory über die Wanderung des Monarchfalters, die im Januar 2024 auf der Titelseite von National Geographic erschien, und Andorra al natural, ein Projekt zur Sensibilisierung für die Artenvielfalt des kleinen Landes in den Pyrenäen.
Jaime arbeitet als Fotograf, Kreativdirektor und Kommunikationsberater regelmäßig mit Umweltorganisationen, Bildungseinrichtungen, Regierungsbehörden und Unternehmen auf der ganzen Welt zusammen und war kürzlich als Redner bei den renommierten TED-Talks zu hören. Jaime ist National Geographic Explorer, Senior Fellow der International League of Conservation Photographers und Berater der WILD Foundation. Seine Arbeiten wurden bei renommierten Wettbewerben wie World Press Photo, Wildlife Photographer of the Year und Pictures of the Year International ausgezeichnet.
www.rojovisuals.com
Instagram: @jaimerojo
von Sabine Riewenherm
Natur ist „in“ – und rückt zunehmend auch in den Blickpunkt unserer (sozialen) Medien: Ästhetische, außergewöhnliche oder spektakuläre Motive faszinieren, wecken Emotionen, machen Lust darauf, selbst draußen in der Natur unterwegs zu sein. Aber: Natur an und für sich ist für YouTube und Instagram oftmals nicht (mehr) genug. Der eine oder die andere (miss-)braucht die Natur leider als Bühne für die eigene, ganz persönliche Inszenierung. Rücksicht auf Tiere und Pflanzen und deren oftmals sensible oder gefährdete Lebensräume zu nehmen, ist bei weitem nicht für alle Influencer*innen selbstverständlich.
Die Naturfotografie in ihrer klassischen, von der Gesellschaft für Naturfotografie (GDT) praktizierten Form, ist da ganz anders und beispielgebend! Den Fotografinnen und Fotografen, deren Bilder wir auf den folgenden Seiten bewundern können, geht es um einen fairen Umgang mit der Natur, um Begegnungen auf Augenhöhe im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht ihnen darum, Emotionen zu wecken, im positiven und im negativen Sinne und so die Betrachter*innen für Arten, Lebensräume und deren Beziehungen untereinander zu interessieren und zugleich auch für den Naturschutz zu sensibilisieren.
Einer von ihnen ist der Spanier Jaime Rojo, Sieger des diesjährigen Wettbewerbs Europäischer Naturfotograf des Jahres. Für das National Geographic Magazine hatte er sich in die Wälder der Monarchfalter begeben und diese ganz besonderen Schmetterlinge, die in Trauben dicht an dicht an Tannenzweigen hängen, mit seiner Kamera eingefangen.
Monarchfalter faszinieren wegen ihrer farbenprächtigen Erscheinung, vor allem aber aufgrund ihrer Lebensweise: In riesigen Schwärmen fliegen sie jedes Jahr im Herbst tausende Kilometer aus ihrem Sommerquartier im Norden Amerikas in die warme zentralmexikanische Hügellandschaft von Michoacán – um dann jedes Frühjahr wieder in den Norden zurückzuwandern. Doch ihre Zukunft ist – wie die so vieler anderer Arten – bedroht. Denn ihre Lebensgrundlagen schwinden: Die intensive Landwirtschaft, verbunden mit dem Einsatz von Herbiziden, vernichtet die Seidenpflanze und damit eine wichtige Futterquelle für die Raupen, illegale Abholzungen zerstören ihre Rastplätze und die zunehmenden Winterstürme als Folgen des Klimawandels lassen sie auf ihrer Reise verenden.
Die immer knapper werdenden Lebensräume sind es auch, die die Gewinner des Fritz Pölking Preises und des Fritz Pölking Jugendpreises vereinen: So zeigt der Spanier Hector Cordero in seiner Geschichte das Leben und Sterben der Vögel in New York City – beweist dabei aber auch, dass es erfolgversprechende Lösungsansätze für ein Überleben zwischen den verspiegelten Fassaden der Wolkenkratzer gibt. Dem Großstadtdschungel und dem gesamten Spektrum tierischer Bewohner – von der Kröte über den Fuchs bis zum Wanderfalken – widmet sich der Italiener Gianluca Damiani und gibt Einblicke in das Dasein dieser Tiere in antiken römischen Gemäuern, das Besucher*innen der Ewigen Stadt und auch den Einheimischen oftmals verborgen bleibt.
Bemerkenswert sind aber nicht nur die preisgekrönten Bilder. Mindestens genauso bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich am diesjährigen Wettbewerb fast 1.000 Fotografinnen und Fotografen mit knapp 18.000 Bildern beteiligt haben – ein Beleg dafür, welch‘ großen Stellenwert Naturfotografie mittlerweile hat. Die Bilder sind aber auch ein Beleg dafür, dass die Leitlinien der GDT Anerkennung finden, die nicht nur eine zeitgemäße und kreative Auseinandersetzung mit Naturfotografie fordern und auch fördern, sondern zugleich für die Verletzlichkeit von und den Respekt für die Schöpfung sensibilisieren und zu einem sorgsamen Umgang aufrufen.
Ich wünsche mir, dass all die Fotografinnen und Fotografen, die in und für die GDT engagiert sind, mit ihrem Wirken den einen oder die andere Influencer*in motivieren können, sich ebenfalls für ein faires Miteinander von Mensch und Natur einzusetzen und dies auch vorzuleben.
Sabine Riewenherm
Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz
Schirmherrin des Wettbewerbs
von Marcus Westberg (für die Jury)
Wenn es heutzutage, in einer Zeit in der jeder eine Kamera in der Hand, im Rucksack oder in der Hosentasche hat, eine größere Herausforderung gibt, als ein bislang ungesehenes Motiv zu finden, dann ist es vielleicht die, ein bekanntes Motiv auf ganz neue Weise zu fotografieren.
Schon das zweite Jahr in Folge gibt das Siegerbild des Wettbewerbs Europäischer Naturfotograf des Jahres einen Einblick in das Leben eines wirbellosen Tieres, gesehen durch die Augen und die Linse eines spanischen Naturfotografen. Im Jahr 2023 begeisterte uns Javier Aznar González de Rueda mit der unerwartet mütterlichen Fürsorge einer südamerikanischen Wanzenart. In diesem Jahr raubt uns Jaime Rojo den Atem mit einer neuen Sichtweise auf eine Szene, die zuvor schon millionenfach fotografiert worden ist.
Was macht ein gutes Bild aus? Das mag wie eine einfache Frage klingen, doch sie hat uns während der Jurierung in Potsdam nachhaltig beschäftigt. Die Mitglieder der diesjährigen Jury – die leitende Bildredakteurin von National Geographic, Alexa Keefe, der Naturfotograf und Podcaster Matt Maran, die Meeresfotografin Rachael Talibart, der GDT- Präsident Stephan Fürnrohr und ich selbst als Fotojournalist im Bereich Natur- und Umweltschutz – hatten ganz unterschiedliche Hintergründe und Herangehensweisen an die Fotografie. Dementsprechend hatten wir auf die vermeintlich einfache Frage zuweilen ganz unterschiedliche Antworten. Man könnte von einvernehmlichen Meinungsverschiedenheiten sprechen.
Hinter der Frage, was ein gutes Bild ist, verbirgt sich eine andere, ebenso schwierige Frage: Was macht einen würdigen Sieger aus? Dies führte zu zahlreichen Diskussionen über eine Vielzahl von Themen, von der Ethik – was ist von Ansitzfotografie zu halten oder von der Verwendung von Blitzlicht bei nachtaktiven Tieren? – bis hin zur Anwendung (oder Überbeanspruchung) bestimmter Fototechniken. Was haben wir zuvor schon gesehen? Welche technischen Unzulänglichkeiten kann man hinnehmen, wenn das Motiv originell ist? Sollte der Aufwand, der mit der Aufnahme verbunden ist – soweit wir ihn erahnen können – ein ausschlaggebender Faktor sein? Sollte es im Fotojournalismus eine Rolle spielen, ob die Geschichte, die erzählt wird, das Positive feiert oder den Betrachter mit traurigen Fakten konfrontiert?
Die Fotografie scheint ständig an einem Scheideweg zu stehen. Doch trotz der aktuellen Sorgen über künstliche Intelligenz, gefakte Storys und schwindende ethische Normen – oder vielleicht gerade deswegen – war sie noch nie so wichtig wie heute. Während die Welt um uns herum brennt, überflutet wird und die Artenvielfalt schwindet, brauchen wir die Fotografie. Wir brauchen eindringliche Bilder, die uns zum Handeln auffordern, und wir brauchen schöne Bilder, die uns daran erinnern, wofür wir kämpfen. Wir brauchen Bilder, die uns Geschichten erzählen.
Geschichten zu erzählen ist eine Kunst, die unsere beiden Fritz Pölking Preisträger meisterhaft beherrschen. Hector Corderos Portfolio über Zugvögel, die mit den verglasten Wolkenkratzern in New York kollidieren, ist sowohl ästhetisch ansprechend als auch durchdacht zusammengestellt, und die Studie des Gewinners des Fritz Pölking Jugendpreises, Gianluca Damiani, über Roms urbane Tierwelt, verbindet kreativen Einfallsreichtum mit fotografischem Geschick und einem fundierten Wissen über seine Heimatstadt. Dennoch hatten beide mit starker Konkurrenz zu kämpfen, da es unter den diesjährigen Einsendungen einige hervorragende Beiträge gab.
Die Auswahl der Lobenden Erwähnungen in jeder Kategorie war ebenso schwierig wie die Wahl der ersten und zweiten Plätze. Während wir die Bilder von einer Runde zur nächsten bewerteten und uns die Gedanken und Beobachtungen unserer Jurykollegen anhörten, änderten sich die Meinungen und damit auch das Abstimmungsergebnis. An einem anderen Tag hätte ein Bild, das nicht unter den ersten zehn war, vielleicht den zweiten Platz in der Kategorie belegt; das Niveau war extrem hoch, die Unterschiede teilweise so geringfügig, und natürlich handelt es sich auch um einen sehr subjektiven Prozess. Auch wenn nicht jede Wahl einstimmig ausfiel, so ist die endgültige Auswahl doch beeindruckend und ausgewogen. Allen ausgezeichneten Fotografen gratulieren wir von Herzen! Euer Talent, Euer Engagement und Eure Kreativität erleben zu dürfen, war uns eine große Freude. Vielen Dank an Stephan, Rachael, Matt und Alexa, Sandra und Karen – und natürlich an Mowgli, denn was wäre das Leben ohne vierbeinige Freunde? - dafür, dass Ihr diese Veranstaltung zu einem so unterhaltsamen und unvergesslichen Erlebnis gemacht habt!
Ich möchte dort enden, wo ich ursprünglich begonnen hatte, nämlich damit, wie es gelingen kann, ein bekanntes Thema aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Nach mehreren Tagen intensiver Debatten und unterschiedlicher Meinungen erschien es irgendwie passend, dass die Wahl des Gesamtsiegers zu den einfachsten Entscheidungen des gesamten Bewertungsverfahrens gehörte und praktisch keine Diskussion erforderte. Jaime Rojos Bild Im Wald der Monarchen ist mit seinem Detailreichtum und seiner Hintergrundgeschichte klassisch schön und zeitlos. „Plötzlich wird ein Lebewesen, das man schon so oft zuvor gesehen hat, zu etwas völlig Neuem“, so ein Jurymitglied. Das Bild zeigt „ein langsames Aufdämmern der Pracht ... eine Ehrfurcht vor der Entdeckung, ein Zeugnis für die Macht der Fotografie.“
Besser hätte ich es nicht formulieren können, also versuche ich es gar nicht erst. Einfach gesagt, das ist Naturfotografie vom Feinsten, und Du hast uns mit Deinem Bild wirklich den Atem geraubt, Jaime – herzlichen Glückwunsch!
Mit Stolz präsentiert die GDT in jedem Jahr anlässlich der Eröffnung der gleichnamigen Ausstellung beim Internationalen Naturfotofestival in Lünen einen hochwertigen Katalog. In diesem Jahr zeigt er auf 156 Seiten die prämierten Aufnahmen von 81 Fotograf*innen aus über 38 europäischen Ländern. Die fantastischen Bilder sollen nicht nur Beispiel sein für die außergewöhnliche Qualität europäischer Naturfotografie; sie sollen darüber hinaus für den Erhalt von Arten und Lebensräumen werben und dazu anregen, Natur neu zu entdecken und sich respektvoll mit allen Sinnen auf sie einzulassen.
Preis: 22,00 € zzgl. Versand
Zu bestellen beim Tecklenborg-Verlag.