von Prof. Dr. Beate Jessel
Die über 18.000 beim Wettbewerb Europäischer Naturfotograf des Jahres eingereichten Bilder zeigen auch im nunmehr 18. Jahr des Wettbewerbs wieder eindrucksvoll die Schönheit und Vielfalt der Natur – aber auch den Stellenwert des Wettbewerbs unter Amateur- und Profifotografen. Die Bilder der 1.112 Teilnehmer ermöglichen es uns, in faszinierende Naturräume und Ökosysteme einzutauchen und die Natur aus uns nicht alltäglichen, teilweise außergewöhnlichen Perspektiven zu entdecken. Diese Vielzahl an einzigartigen Fotos von herausragender Qualität, Bilder voller Energie und Kraft, Ästhetik und Anmut veranschaulichen den Reichtum und die Vielgestaltigkeit der Natur. Doch nicht alle Fotos konzentrieren sich allein auf die Schönheit, andere rütteln auf und zeigen, wo die Natur an ihre Grenzen stößt und wo der Mensch die Natur an ihre Grenzen bringt. Viele der Fotografen haben Stunden investiert, um dieses eine Foto aufzunehmen und sich dabei intensiv mit ihrer Umgebung auseinandergesetzt, um diesen einen Moment einzufangen.
Insbesondere das Foto des diesjährigen Gewinners Cristobal Serrano hält aus der Vogelperspektive einen faszinierenden Eindruck fest, der mit seiner immensen Farbenpracht begeistert. Die Luftaufnahme zeigt Zwergflamingos am Bogoriasee, im von der hohen Konzentration an Mineralsalzen gefärbten Wasser stehend. Was das Bild auf den ersten Blick allerdings nicht verrät: Der Zwergflamingo ist in seiner Ernährung auf eine bestimmte, in stark alkalischen Salzseen vorkommende Gattung der Cyanobakterien (d.h. von Blaualgen) spezialisiert und reagiert in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit und Zusammensetzung dieser Nahrungsgrundlage empfindlich gegenüber Veränderungen des Ökosystems. Auch wenn derzeit noch von einem Bestand von bis zu 2,5 Millionen Individuen in Ostafrika ausgegangen wird, so wird der Zwergflamingo bereits auf der Internationalen Roten Liste Gefährdeter Arten in der Kategorie 'Potenziell gefährdet' geführt: Schon heute wird befürchtet, dass der Qualitätsverlust von Lebensräumen und Störungen sich negativ auf die Bestandsentwicklung auswirken werden. Damit steht der Zwergflamingo stellvertretend für eine ganze Reihe von Arten, die vor der Herausforderung stehen, sich an ändernde Umweltbedingungen anpassen zu müssen. Es ist eine der großen Zukunftsaufgaben der heutigen Zeit und Kernanliegen des Bundesamts für Naturschutz den Artenrückgang aufzuhalten und damit die biologische Vielfalt zu bewahren, nicht nur um die Natur um ihrer selbst willen zu erhalten, sondern auch als Grundlage unseres Lebens.
Und so haben die Bilder alle doch eines gemein, sie zeigen, wofür es sich einzusetzen lohnt – für den Schutz der Natur, um auch künftigen Generationen einzigartige Naturerlebnisse zu ermöglichen, aber auch um auf vielfältige Weise von den Diensten der Natur zu profitieren. Deshalb möchte ich Sie einladen, sich von den Fotografien inspirieren und motivieren zu lassen, hinaus in die Natur zu gehen und diese mit ihren Besonderheiten und Einzigartigkeiten nicht nur auf fernen Kontinenten, sondern auch vor der eigenen Haustür zu entdecken, ihren Wert zu erkennen und zu ihrem Schutz beizutragen.
Quellen:
Kaggwa, M.N., Gruber, M., Oduor, S.O. et al. Hydrobiologia (2013) 710: 83. https://doi.org/10.1007/s10750-012-1105-1 http://www.iucnredlist.org/details/22697369/0 (16.07.2018)
Prof. Dr. Beate Jessel
Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz