Die Gesellschaft für Naturfotografie e.V. (GDT) präsentiert die Siegerbilder des Wettbewerbs Europäischer Naturfotograf des Jahres 2019
Eduardo Blanco Mendizabal aus Spanien gewinnt den Wettbewerb mit der Aufnahme eines Luchses in der Dämmerung.
Der Geist
Anfang des Jahres besuchte ich den Naturpark Sierra de Andújar in Andalusien (Spanien), um mich dort auf die Suche nach der am stärksten bedrohten Katzenart Europas zu machen, dem Pardelluchs (Lynx pardinus). Eines Abends entdeckte ich dann einen Luchs in unmittelbarer Nähe der Straße. Er nahm kaum Notiz von mir, und fuhr in aller Ruhe fort, sein Fell zu pflegen. Auch die Scheinwerfer meines Wagens störten ihn nicht. Ich machte zahlreiche Bilder, doch nur auf diesem leuchten die Augen des Tieres geisterhaft auf.
Canon EOS 7D Mark II, 4.0/200-400mm, ISO 800, Stativ
Biografie Eduardo Blanco Mendizabal
1977 in Corella, Spanien, geboren, war schon immer von der Fotografie fasziniert, bekam seine erste Kamera aber erst im Alter von 19 Jahren. Er wuchs in vordigitaler Zeit auf, in einer kleinen Stadt, und so war sein Weg zur Fotografie ein langer und harter Lernprozess.
Sein Abschluss in Wildlife and Forestry Conservation und eine Lizenz als Naturführer ermöglichten es ihm, in der Natur zu arbeiten, die Erde unter seinen Füßen zu spüren und den Wind in seinem Gesicht. Er liebte seine dreijährige Tätigkeit als Umwelttechniker in seiner Heimatstadt, und gelegentlich leitet er auch heute noch Führungen im Naturpark Bardenas Reales.
Mit seinem Lieblingsobjektiv, einem 100-400mm Telezoom, fotografiert Eduardo Blanco Mendizabal ganz unterschiedliche Sujets – von Tieren über Landschafts-Details bis hin zu Portraits von Menschen. Obwohl seine Vorliebe eigentlich der Landschaftsfotografie gilt, versucht er sich aber auch immer wieder in der Darstellung von Säugetieren – und manchmal hat er dabei Glück!
Seit 2005 arbeitet er als professioneller Fotograf, und seine Bilder wurden bereits in den führenden spanischen Fotomagazinen veröffentlicht.
Eduardo Blanco Mendizabal ist ein renommierter Tier- und Reisefotograf, der seine Zeit und Erfahrung gerne mit Studenten während Workshops in Spanien und fotografischen Exkursionen in aller Welt teilt. Er liebt es, neue Länder zu erkunden, doch die größte fotografische Motivation findet er am Ende doch immer wieder in seinem näheren Umfeld.
Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter Fotografiar con mal tiempo, un buen momento (2016) und Bardenas Reales, en busca de la luz (2018).
Ingo Arndt (DE) | Ein Puma jagt ein ausgewachsenes Guanako-Männchen
Die GDT bedankt sich an dieser Stelle ganz herzlich bei der Firma AC-Foto für die großzügige Unterstützung in diesem Wettbewerb!
Von Prof. Dr. Beate Jessel
Auf leisen Pfoten unterwegs waren in diesem Jahr sowohl der Fotograf als auch der Protagonist des Siegerfotos, der Luchs. So ist ein Foto entstanden, das einen Moment einfängt, wie ihn wohl die Wenigsten erleben werden. Nicht nur, weil der Luchs ein sehr scheuer Geselle ist, sondern auch, weil sowohl der Pardelluchs, zu sehen auf dem diesjährigen Siegerfoto, als auch der bei uns in Deutschland vorkommende Eurasische Luchs heutzutage sehr seltene Arten sind. Bis zum Ende des Monitoringjahres 2017/2018 konnten in Deutschland 85 selbstständige Luchse sowie 43 Jungtiere sicher nachgewiesen werden. Damit ist der Erhaltungszustand des Luchses hierzulande weiterhin als kritisch einzustufen.
Neben den beeindruckenden technischen Qualitäten der Aufnahme und seiner Ausdrucksstärke, macht das diesjährige Gewinnerfoto auf eine vom Menschen bedrohte Art aufmerksam und verschafft somit Themen des Naturschutzes mehr Gehör. So gilt die Zerschneidung seines Lebensraums als einer der Hauptgründe, der eine Ausbreitung des Luchses und einen Austausch zwischen den Populationen erschwert. Eine Bedrohung, der nicht nur er ausgesetzt ist: Viele weitere Arten, wie die Wildkatze und der Fischotter, werden ebenfalls durch eine Fragmentierung ihrer Lebensräume beeinträchtigt.
Es handelt sich bei dem Siegerfoto, wie auch bei den weiteren Einreichungen, um Bilder, die mit viel Geduld und Ausdauer eingefangen wurden. Sie spiegeln die Vielfalt und Einzigartigkeit der Natur, der Pflanzen und Tiere wieder, zeigen Überraschendes, beeindrucken durch ihre Klarheit oder Dynamik. Die Fotografinnen und Fotografen haben dabei auch in diesem Jahr wieder eindrücklich ihr Können und ihren Blick für das Wesentliche bewiesen, sei es auf Ebene von Landschaften oder bei Detailaufnahmen einzelner Arten. Aber nicht nur Fotografinnen und Fotografen benötigen einen geschulten Blick und viel Geduld. Diese Qualitäten machen auch gute Naturbeobachterinnen und Naturbeobachter aus. Menschen, die ihr Wissen und ihre Beobachtungen einfließen lassen können in Monitorings und Bestandserhebungen, die uns Aufschluss über den Zustand von Artenvielfalt und Lebensräumen geben.
Und so begeistern hoffentlich die ausdrucksstarken Fotos den einen oder die andere, öfter hinaus zu gehen und die Augen und Ohren offen zu halten für besondere Begegnungen mit und in der Natur. Gemäß dem Motto „Der Mensch schützt nur, was er kennt“ kann dies dann der Ausgangspunkt dafür sein, sich stärker für den Erhalt der Natur zu engagieren. Angesichts des anhaltenden Artenrückgangs ist dies dringlicher geboten denn je.
Prof. Dr. Beate Jessel
Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz
Von Richard Peters
Es ist ebenso einschüchternd und inspirierend, so aufregend wie ehrenvoll, Teil einer Jury zu sein, die Tausende von Bildern von Fotografen aus ganz Europa bewertet. Diese Verantwortung darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Es ist eine Aufgabe, die auch immer wieder eindringlich daran erinnert, dass Europa die Heimat von außergewöhnlich talentierten, kreativen und zukunftsweisenden Fotografen ist. Diese Fotografen zu würdigen, und zugleich die Prinzipien und elementaren Werte der GDT zu wahren, war für jeden von uns, der die Ehre hatte, an diesem Prozess teilzunehmen, von größter Bedeutung.
Mit den unterschiedlichen Meinungen, die ein solches Gremium aus erfahrenen und sachkundigen Jurymitgliedern mit sich bringt, wird auch die Komplexität der Bildauswahl deutlich. Diese Diversität ist unerlässlich, da jedes Mitglied einen anderen Geschmack und andere Vorstellungen hat, was Ästhetik, emotionale Wirkung, die Vermittlung von Informationen oder technische Brillanz anbelangt. Ein Bild mag ein echter Hingucker sein, betrachtet man es isoliert, doch seine Wirkung kann schnell verfliegen, wenn es im Kontext von Tausenden anderer Bilder innerhalb derselben Kategorie erscheint. Es handelt sich um einen sehr komplexen, detaillierten, methodischen und fairen Auswahlprozess. Es gab Bilder, die sofort bei allen Jurymitgliedern ankamen, und andere, die auf geteilte Meinungen stießen, und erst nach lebhaften Debatten ihren Platz im Portfolio der ausgewählten Bilder fanden. Dazu zählte auch der diesjährige Gesamtsieger.
Das Bild Der Geist von Eduardo Blanco Mendizabal (Spanien) erregte die Aufmerksamkeit der Jury, weil es anders ist. Es weicht von aktuellen Trends ab und fiel sofort durch seine kraftvolle und zugleich subtile Erscheinung auf. Ein Bild, das sich nicht jedem unmittelbar erschließt, dessen Wirkung sich aber umso stärker entfaltet, je länger man es betrachtet. Wenn sich die Augen des Betrachters an die Dunkelheit gewöhnt haben, erwacht dieses Bild zum Leben.
Nur zwei Farben herrschen vor, Blau und Schwarz. Diese Farbtöne geben dem Betrachter Aufschluss darüber, wann dieses Bild entstanden ist: zur Zeit der Dämmerung, die eine wichtige Rolle spielt für das Leben und vor allem das Jagdverhalten des Motivs. Die reduzierte Wirkung des Bildes beruht darauf, dass es fast ausschließlich aus Silhouetten besteht. Die unverwechselbare Form der Ohren des Luchses ermöglicht eine sofortige Identifizierung des Tieres. Und die Umrisse der Büsche und Felsen verraten uns etwas über seinen Lebensraum.
Ein eindeutiger Fokuspunkt ist bei einem so anspruchsvollen Bild unerlässlich, um sicherzustellen, dass sich das Hauptmotiv nicht in den dunklen Farbtönen der Dämmerung verliert. Ein Punkt, der die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort auf sich zieht und dadurch das Bild in seiner Aussage erst kohärent werden lässt. Es sind die extrem lichtempfindlichen Augen des Tieres, die im schwachen Streulicht der Scheinwerfer aufleuchten, ohne dass die Umgebung erhellt wird. So bleibt die geheimnisvolle Atmosphäre erhalten, und die geisterhaften Konturen des Luchses erwachen plötzlich zum Leben.
Wie es oft bei solchen Aufnahmen der Fall ist, beruht die Wirkung auf einem überlegten Einsatz der Technik. In diesem Fall hat der Fotograf eine mutige Entscheidung getroffen: Die Jury war beeindruckt, dass Eduardo Blanco Mendizabal trotz der unglaublich schlechten Lichtverhältnisse das Risiko eingegangen ist, mit einer Verschlusszeit von 6 Sekunden zu arbeiten. Bei so schwachem Licht wäre es für viele andere Fotografen die naheliegende Wahl gewesen, sich entweder darauf zu beschränken, den Luchs nur zu beobachten, oder aber die ISO-Zahl drastisch zu erhöhen, um eine kürzere, und dadurch erfolgversprechendere Verschlusszeit zu erhalten. Dies hätte zu einem Bild mit nicht annähernd so großer Wirkung geführt. Nur durch den Hauch von Weichheit, der das Motiv durch die minimale Unschärfe umgibt, entfaltet sich sein Zauber. Es war ein Glücksspiel, das auf die bestmögliche Weise belohnt wurde; ein Bild, das auf gelungene Weise die Situation wiedergibt, in der sich der Fotograf befand.
Für einige Jurymitglieder war Der Geist sofort ein klarer und eindeutiger Gesamtsieger. Andere regten eine Diskussion an, um die Vielschichtigkeit des Bildes besser verstehen zu können. Es wurden Argumente ausgetauscht, das Für und Wider abgewogen und das gemeinsame Meinungsbild erweitert, während wir auf die endgültige Entscheidung hinarbeiteten. Als diese Entscheidung dann getroffen war, war man sich einig, dass jedes Bild, das eine solche Debatte provoziert, eindeutig mit aktuellen Trends bricht und etwas Besonderes zu bieten hat. Als Gesamtsieger eines so wichtigen Wettbewerbs ist dieser Aspekt von entscheidender Bedeutung. Denn oft polarisieren besondere Bilder, sie erweitern Sichtweisen, verlagern Grenzen, und sie wachsen, wenn man tiefer unter die Oberfläche schaut. Das ist hier der Fall.
Die Jury kam zu dem Schluss, dass Eduardo Blanco Mendizabals Bild einen faszinierenden Einblick in das heimliche Wesen des Luchses bietet. Es erregt sofort die Aufmerksamkeit des Betrachters auf eine Weise, die nicht traditionell oder offensichtlich ist, und es entstand zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten von uns die Kamera einfach weggelegt hätten, ohne ein Bild zu machen.
Jede Art von Fotografie hat ihre Berechtigung, doch in einer Zeit, in der Kamerafallen, Drohnen, perfekt ausgeleuchtete und kunstvoll arrangierte Bilder in Mode sind, kann es leicht passieren, dass man die Kraft von Bildern vergisst, die auf das Wesentliche reduziert sind. Auf ein einfaches Konzept. Auf eine Fotografie, die uns zu den Grundlagen der Naturfotografie zurückführt. Bilder, die ungekünstelte Emotionen wecken und zu Debatten anregen. Die Stärke solcher Bilder liegt nicht in ihrer technischen Perfektion, einem raffinierten Workflow oder dem neuesten Equipment. Sie rührt daher, dass sie dem Betrachter ein ursprüngliches Gefühl der Verbundenheit mit dem Motiv vermitteln, der Atmosphäre des Augenblicks, eine Ahnung davon, was der Fotograf im Augenblick des Auslösens empfunden haben muss.
Einfach ausgedrückt, das Bild Der Geist ist ebenso gewagt und mutig wie eindringlich und schön.
Von Richard Peters (für die Jury)