Johannes Wassermann wurde 1986 in Brixen/Südtirol geboren und arbeitet dort als Möbelrestaurator. Bereits im frühen Kindesalter empfand er eine starke Zuneigung zur Natur und zu Wildtieren, was sicherlich auf familiäre Prägung zurückzuführen ist. Anfangs galt seine Faszination vor allem Vogelfedern, die bei ihm eine bis heute andauernde Sammelleidenschaft entfachen. Lange standen für ihn die Federn im Vordergrund, doch nach und nach spielte das Aufspüren und Beobachten der Tiere selbst eine immer größere Rolle. Zugleich wuchs in ihm der Wunsch, das Erlebte fotografisch festzuhalten. 2010 entwickelte sich für ihn die Tierfotografie in heimischer Umgebung zu einer echten Passion. Johannes Wassermann findet es besonders spannend, die Tiere selbst aufzuspüren und ihr Verhalten in ihrem Lebensraum zu beobachten und zu erforschen, um sich somit besser in ihr Leben einfühlen zu können.
Der enge Bezug zu den Tieren ist für ihn ebenso wichtig wie ein gelungenes Bild, hinter dem meist harte Arbeit steckt. Am liebsten lässt er sich von einzelnen Projekten fesseln, denen er dann über Monate oder Jahre seine volle Aufmerksamkeit schenkt.
Mit seinen Bildern möchte Johannes Wassermann die Menschen sensibilisieren und ihnen die Schönheit und Einmaligkeit unserer Natur nahebringen, aber auch auf die Zerstörung wichtiger Lebensräume aufmerksam machen. Damit stellt er seine Fotos unter das Motto: Nur was der Mensch kennt, kann er auch schätzen und schützen!
Bereits im Kindesalter faszinierten mich die taubengroßen Haselhühner und ihre heimliche Lebensweise. Als passionierter Vogelfedernsammler streifte ich oft durch ihren Lebensraum, den Bergwald, um nach ihren Federn zu suchen, und gelegentlich gelang es mir dabei, ein Haselhuhn zu sehen. Da diese Vögel sehr scheu sind, dauerte dieses Vergnügen nie länger als wenige Sekunden, und meist verrieten nur die lauten Flügelschläge beim Davonfliegen ihre Anwesenheit. Meine Sehnsucht, mehr über das Leben der Haselhühner zu erfahren, wurde immer größer – vor allem, als ich von einem Kollegen eine überaus interessante Nachricht erhielt: Angeblich wurde ein Haselhahn gesichtet, welcher merkwürdigerweise wenig Scheu den Menschen gegenüber zeigte. Am Folgetag stand ich in dem entsprechenden Waldstück, suchte vergeblich nach einem konkreten Hinweis auf das Tier und gab nach zehn Stunden Suche erschöpft auf. Erst zwei Monate später, im August 2011, gelang es mir endlich, den Haselhahn mit eigenen Augen beobachten zu können. Es war wie Liebe auf den ersten Blick, und ab diesem Moment verging bis heute kein Tag, ohne dass ich an ihn dachte. Anfangs war der Hahn immer recht vorsichtig und zögerlich, aber je öfter ich mich in seiner Nähe aufhielt, desto gelassener und zutraulicher wurde er. Ich lernte, seine Gesangsstrophe von denen der anderen im Gebiet lebenden Haselhühner zu unterscheiden, was für die Suche nach „meinem“ Vogel durchaus hilfreich war. Wenn er – je nach Lust und Laune – meine Lockrufe erwiderte, unternahmen wir Seite an Seite gemeinsame Rundgänge durch sein mehrere Hektar großes Territorium auf ca. 1.800 m Meereshöhe. Meist waren genaueste Kenntnisse über sein Verhalten, über das gesamte Gebiet und über seine Lieblingseinstände sowie meine Hartnäckigkeit der Schlüssel zum Auffinden des Hahns. Insgesamt begab ich mich etwa hundertmal auf die Suche nach ihm, wobei ich nur knapp zwanzigmal erfolglos blieb. Bei Schneefällen war es besonders schwierig, den Hahn ausfindig zu machen, und erst im April 2017 gelangen mir schlussendlich meine sehnlichst erträumten Wunschbilder: Der Haselhahn eingebettet in seinen „angezuckerten“ Lebensraum.
Um unnötige Störungen zu vermeiden, schränkte ich ab Mitte Juni, der Zeit der Alpenrosenblüte, bewusst meine Anwesenheit im Gebiet des Hahns ein. In dieser Zeit schlüpfen die Haselhuhnküken, und auch „mein“ Hahn schloss sich dann höchstwahrscheinlich seinem Gesperre an. Aus diesem Grund war er in der Zeit wie verschollen, und das Einsetzen der Mauser drosselte zudem seine Aktivität. Auf Grund der starken Präsenz des Habichts hatte ich ständig Angst, dass mein kleiner Freund (von mir Gustl genannt) seinem Erzfeind zum Opfer fallen würde. Zweimal konnte ich eine Schockmauser feststellen, was darauf hindeutete, dass er tatsächlich attackiert wurde. Zu „unserem“ Glück leben aber in diesem herrlichen Bergwald zahlreiche Tannenhäher, die mit ihren Warnrufen alle potenziellen Beutetiere vor drohender Gefahr warnen, und auf diese Weise vielleicht das eine oder andere Mal meinem Hahn das Leben retteten.
Mit zunehmendem Alter (Recherchen ergaben, dass mein Hahn bereits 2009 gesichtet worden war) schwand allmählich sein Interesse am Revieranspruch. Er antwortete nur noch selten auf meine Lockrufe, und im Oktober 2017 hatte ich zum letzten Mal die Ehre, ihn an meiner Seite erleben zu dürfen. Ich habe es immer als ein außerordentlich großes Geschenk betrachtet, mit diesem Tier einen Teil meiner Freizeit verbringen zu dürfen. Ich wusste darum, dass dieser Vogel mit seinem Verhaltensmuster einzigartig war, und legte meinen fotografischen Schwerpunkt für gute sechs Jahre auf dieses Projekt, das mich trotz Gustls Zutraulichkeit immer wieder vor enorme Herausforderungen stellte. Aber es war mein größter Wunsch, die unvergesslichen Momente kreativ in kunstvolle und ästhetische Bilder umzuwandeln. Zum Schutz dieses bezaubernden Vogels habe ich sehr großen Wert darauf gelegt, dass sein Standort geheim blieb. Nur meine engsten Freunde und Vertrauenspersonen durften Gustl persönlich kennenlernen.
Im Ebereschenlaub
Die Eberesche ist neben weiteren Laubgehölzen eine unverzichtbare Futterquelle der Haselhühner. Im Winter stellen die Knospen, im Frühjahr die saftigen Triebe und Blätter dieser Pflanze einen Großteil ihrer Nahrung dar.
Am Ruheplatz
Die bereits tiefstehende Sonne im Spätherbst lässt den Sitzplatz des Haselhahns zwischen Licht und Schatten changieren.
Alpenrosenblüte
2017 verzeichnete ich leider einen Gelegeverlust seiner Henne. Somit bot sich mir die lang ersehnte Gelegenheit, den Haselhahn während der Alpenrosenblüte zu fotografieren.
Im Winterwald
Magische Stille. Eine Kaltfront zieht Ende April über das Gebirge und verwandelt den Zirbelkiefernwald in ein weißes Märchenland. Kaum sichtbar verschmilzt der Haselhahn mit seinem Umfeld.
Farbspiele
Am Boden liegend fotografierte ich durch kleine Öffnungen des dichten Alpenrosengestrüpps. Frische Triebe und Blätter sowie verwelkte Gräser vom Vorjahr sorgen für einen farbenfrohen Vordergrund.
Im Neuschnee
Zwischen Schneehügeln – „Weniger ist mehr“
Angezuckert
Tarnung – Anfang Januar kam endlich der erste Schneefall im sehr schneearmen Winter 2017.
Im Nebelwald
Haselhuhn auf Eberesche. Unterholzreiche Bergwälder mit Laubholzbeständen sind der geeignete Lebensraum für Haselhühner. Der Nebel verleiht dem Frühlingswald eine mystische Stimmung.
Balzgesang
Stolz und selbstbewusst behauptet der Hahn sein Revier.
Wirrwarr
Über Monate wählte mein kleiner Freund einen sehr dichten Jungfichtenbestand als Winterquartier. Ästhetische Naturfotografie war dort kaum vorstellbar, aber mitten im Gestrüpp gelang mir schlussendlich doch diese Aufnahme.
Letztes Licht
Bevor sich der Hahn auf seinen Schlafbaum zurückzog, nutzte ich das letzte Abendlicht, um ihn als Silhouette vor einem sonnenbeschienenen Berghang abzulichten.