Gianluca Damiani ist Naturwissenschaftler und Tierfotograf und lebt in Rom. Seit seiner Kindheit begeistert er sich leidenschaftlich für die Natur. Heute interessiert er sich insbesondere für die urbane Natur und die Fotografie bedrohter Arten in Italien. Nach einem Bachelor-Abschluss in Naturwissenschaften und einem Master-Abschluss in Naturschutzbiologie arbeitet er an einem Promotionsprojekt über die Auswirkungen der Urbanisierung auf Raubvögel. Er ist Autor von zwei Fotobüchern und mehreren wissenschaftlichen und fotografischen Artikeln.
Gianlucas fotografischer Weg führte ihn zunächst in die Wildnis der Berge und an die abgelegensten Orte Italiens. Doch schließlich kehrte er zurück, um die urbane Tierwelt seiner Heimatstadt Rom neu zu entdecken. Mit seinen Bildern möchte Gianluca alltägliche Szenen der Koexistenz zwischen Mensch und Tier aus ungewöhnlichen Perspektiven beleuchten und gleichzeitig nach dem Unerwarteten im Gewöhnlichen suchen.
"Ich glaube, dass die Naturfotografie ein mächtiges Mittel ist, um die Menschen wachzurütteln. Mit meinen Bildern versuche ich, Bewusstsein und Ehrfurcht zu vermitteln. Auf diese Weise können wir helfen, die Natur zu retten."
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Die Verstädterung gilt als die am schnellsten wachsende anthropogene Form der Bodenversiegelung, und auch die Umwandlung natürlicher Lebensräume in städtische Gebiete wird voraussichtlich zunehmen. Die Zahl der Menschen wächst noch immer und überall auf der Welt sind ihre Spuren unübersehbar. Dadurch wird die Tier- und Pflanzenwelt vor neue Herausforderungen gestellt, und die Arten sind gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: Anpassung und Überleben oder Flucht?
Städte erfordern von wild lebenden Tieren unterschiedlichste verhaltensmäßige und physiologische Anpassungen, um die neue Umgebung optimal nutzen zu können. Obwohl einige Arten durch die zunehmende Verstädterung schwer geschädigt werden, haben sich andere an das Leben in großen Metropolen wie Rom angepasst. Seit der Zeit des antiken Römischen Reiches wird diese Stadt von einer großen Zahl von Menschen bewohnt, und ihre Geschichte, die vom Einfluss der katholischen Kirche und der römischen Kultur geprägt wird, ist in der ganzen Welt bekannt. Obwohl Rom heute mehr als vier Millionen Menschen und mehr als zwei Millionen Autos beherbergt und von Straßen, Plätzen und Gebäuden bedeckt ist, gibt es eine verborgene natürliche Welt, die innerhalb ihrer Grenzen überlebt hat.
Urbaner Jäger
Städtische Gebiete können komplexe Lebensräume bieten, und in Rom verbirgt fast jeder Winkel ein wildes Geheimnis. Die alten Gebäude des Forum Romanum beherbergen eine große Population von Mauergeckos (Tarentola mauritanica). Dank zahlreicher Spalten und Löcher in den Wänden finden diese Tiere ausreichend Unterschlupf. Sie sind überwiegend nachtaktiv und bleiben tagsüber verborgen. Trotz ihrer nächtlichen Lebensweise ist ein bewölkter Tag eine gute Alternative für ihre Jagdaktivitäten. Dieses prächtige Exemplar fand ich auf einer alten Mauer des Palatinhügels.
Alien in der Stadt
Ein Halsbandsittich (Psittacula krameri) ruht sich in der antiken Mauer des Forum Romanum im Zentrum von Rom aus. Kolonien dieser Art besiedeln mittlerweile zahlreiche europäische Städte. Bei diesen Papageien handelt es sich um eine gebietsfremde, invasive Art, die durch die globale Erwärmung, die sich im Mittelmeerraum stark auswirkt, und durch die ökologische Nische, die städtische Lebensräume diesen Neuankömmlingen bieten, begünstigt werden. Die Sittiche sind in der Tat Stadtbewohner, die sich gut an das urbane Leben angepasst haben, indem sie die Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen und Nistplätzen nutzen. Ihre Ausbreitung bedroht andere Höhlenbrüter und Fledermäuse, mit denen sie um Löcher und Höhlen in Gebäuden und Bäumen konkurrieren.
Über der Stadt
Über Straßen und Gebäuden hat ein wachsames Augenpaar alles im Blick. Der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist ein Spitzenprädator. Nachdem er in den 1980er Jahren in Italien aufgrund von DDT, illegaler Jagd und Luftverschmutzung fast ausgestorben war, ist der Wanderfalke heute in urbanen Regionen wie Rom weit verbreitet. Mit mehr als 20 Paaren ist die städtische Wanderfalkenpopulation mittlerweile an ihre Obergrenze gestoßen. In jüngster Zeit wurden neue Reviere besetzt, darunter die antiken Mauern des Kolosseums im Stadtzentrum. Im Rahmen meines Promotionsprojekts untersuche und überwache ich einige Paare, indem ich ihnen künstliche Nistkästen auf hohen Gebäuden anbiete.
(Das Foto wurde mit Genehmigung der Stadt Rom und des archäologischen Parks des Kolosseums aufgenommen; der Wanderfalke blieb bis in die Nacht hinein ungestört auf seiner Sitzstange. Ich danke Valerio Cortopassi und Luca Soriano für ihre Hilfe bei den Drohnenaktivitäten.)
Gottes Schwingen
Die Felsentaube (Columba livia) hat wahrscheinlich schon immer in Rom gelebt und sich zusammen mit dem Menschen in diesem urbanen Umfeld entwickelt. Der Petersdom mit seiner ständigen Präsenz von Touristen und Gläubigen zieht unzählige Tauben und andere Stadtvögel an, die dort auf der Suche nach Nahrung fündig werden.
Begegnung bei Sonnenaufgang
Der Italienische Wolf (Canis lupus italicus) ist ein scheues und vorsichtiges Tier. Aufgrund seiner nächtlichen Lebensweise ist es nicht einfach, ihn zu beobachten. Dieser junge Wolfsrüde hielt sich in den Vororten eines kleinen Dorfes an der Mittelmeerküste auf. Nach mehrtägigen Versuchen entdeckte ich ihn auf einer schmalen Straße am Waldrand. Ich legte mich an den Straßenrand, damit ich das Gegenlicht nutzen konnte, während sich der Wolf näherte.
Nachtkrabbe
Die Stadt Rom beherbergt viele seltene und gefährdete Arthropoden. Unter ihnen ist die Europäische Süßwasserkrabbe (Potamon fluviatile) sicherlich die überraschendste. Die städtische Krabbenpopulation ist seit Jahrhunderten genetisch und geografisch isoliert und weist infolgedessen ein insulares Gigantismus-Phänomen auf. Diese Süßwasserkrabben überleben in Rom nur an einem einzigen Ort: in der Kanalisation des Forum Romanum, zwischen Kanälen und unterirdischen Teichen, nur wenige Meter unterhalb der Straßen, auf denen sich Millionen von Touristen bewegen. Diese vom Aussterben bedrohten Krebse sind vor allem durch Katzen, Ratten und Möwen bedroht, die in dieser städtischen Umgebung ihre Hauptfeinde sind. Nach der Entdeckung der Krabben auf dem Forum Romanum im Jahr 2005 sind mehr als 90 % der Population durch archäologische Ausgrabungen und die Nachstellung durch Fressfeine verschwunden. Ein großer Teil ihres Verbreitungsgebiets wurde mittlerweile durch den Bau von Fußgängerbrücken und Erdarbeiten für U-Bahnen unwiederbringlich zerstört.
Rattenrennen
Großstädte beherbergen viele Tierarten, doch die Wanderratte (Rattus norvegicus) gehört sicherlich zu den vom Menschen am meisten gehassten. Die Zahl der Ratten in den Städten nimmt zu, denn diese kleinen Nager verfügen über erstaunliche Fähigkeiten, um in der Großstadt zu überleben. Sie leben in Kolonien im Untergrund und nutzen menschliche Abfälle und andere Ressourcen. In Rom wird die berühmte Engelsburg in der Nähe des Vatikanviertels nachts von unzähligen Ratten auf der Suche nach Nahrung heimgesucht. Trotz ihrer großen Zahl sind die Tiere sehr scheu und flüchten sofort, wenn man sich nähert. Zwischen den Müllsäcken auf der Straße stellte ich nachts meine Fotofalle auf, um die Aktivitäten der Ratten zu fotografieren. Ich wollte mit dieser Perspektive den Kontrast zwischen dem geliebten Monument, einem Symbol Roms, und den verhassten Ratten darstellen. Das geheime Leben dieser harmlosen Tiere zu zeigen, kann den Menschen helfen, ihre Anwesenheit in großen Städten zu akzeptieren.
Müllverwertung
Die Verstädterung dringt zunehmend in viele natürliche Lebensräume ein und schadet der biologischen Vielfalt erheblich. Es gibt jedoch einige Arten, die es geschafft haben, die Ressourcen des Menschen zu nutzen. In den letzten Jahren wurde Rom von einer Wildschweinpopulation (Sus scrofa) besiedelt, die von den Abfällen im Stadtzentrum angelockt wurde. Seit einigen Monaten verfolge ich eine Wildschweinfamilie auf der Straße vor meinem Haus und beobachte, wie sie nachts im Müll wühlen. Ihre Anwesenheit zwischen dichtem Straßenverkehr und unvorbereiteten Passanten kann sowohl für Menschen als auch für die Tiere selbst zur Gefahr werden. Eines Tages tauchte nachts ein umstrittenes Graffiti auf einem der Müllcontainer in der Straße auf: Das Gesicht eines ironischen Wildschweins lächelte auf der Wand des Containers. Schon in der ersten Nacht stellte ich meine Fotofalle auf und wartete einige Meter entfernt im Auto, um die Ankunft der Wildschweine zu fotografieren, doch nichts passierte. In mehreren aufeinander folgenden Nächten versuchte ich, ein gutes Bild zu machen, wobei ich ständig von neugierigen Leuten umgeben war, bis schließlich die gesamte Wildschweinfamilie beschloss, in der Nähe des Graffiti-Müllcontainers zu fressen.