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Sieger: Gianluca Damiani – Italien

Gianluca Damiani ist Naturwissenschaftler und Tierfotograf und lebt in Rom. Seit seiner Kindheit begeistert er sich leidenschaftlich für die Natur. Heute interessiert er sich insbesondere für die urbane Natur und die Fotografie bedrohter Arten in Italien. Nach einem Bachelor-Abschluss in Naturwissenschaften und einem Master-Abschluss in Naturschutzbiologie arbeitet er an einem Promotionsprojekt über die Auswirkungen der Urbanisierung auf Raubvögel. Er ist Autor von zwei Fotobüchern und mehreren wissenschaftlichen und fotografischen Artikeln.
Gianlucas fotografischer Weg führte ihn zunächst in die Wildnis der Berge und an die abgelegensten Orte Italiens. Doch schließlich kehrte er zurück, um die urbane Tierwelt seiner Heimatstadt Rom neu zu entdecken. Mit seinen Bildern möchte Gianluca alltägliche Szenen der Koexistenz zwischen Mensch und Tier aus ungewöhnlichen Perspektiven beleuchten und gleichzeitig nach dem Unerwarteten im Gewöhnlichen suchen.

"Ich glaube, dass die Naturfotografie ein mächtiges Mittel ist, um die Menschen wachzurütteln. Mit meinen Bildern versuche ich, Bewusstsein und Ehrfurcht zu vermitteln. Auf diese Weise können wir helfen, die Natur zu retten."

www.gianlucadamiani.com
www.instagram.com/gianlucadamiani_photographer/

Gianluca Damiani

Projekt: Urban jungle

Die Verstädterung gilt als die am schnellsten wachsende anthropogene Form der Bodenversiegelung, und auch die Umwandlung natürlicher Lebensräume in städtische Gebiete wird voraussichtlich zunehmen. Die Zahl der Menschen wächst noch immer und überall auf der Welt sind ihre Spuren unübersehbar. Dadurch wird die Tier- und Pflanzenwelt vor neue Herausforderungen gestellt, und die Arten sind gezwungen, eine Entscheidung zu treffen: Anpassung und Überleben oder Flucht?

Städte erfordern von wild lebenden Tieren unterschiedlichste verhaltensmäßige und physiologische Anpassungen, um die neue Umgebung optimal nutzen zu können. Obwohl einige Arten durch die zunehmende Verstädterung schwer geschädigt werden, haben sich andere an das Leben in großen Metropolen wie Rom angepasst. Seit der Zeit des antiken Römischen Reiches wird diese Stadt von einer großen Zahl von Menschen bewohnt, und ihre Geschichte, die vom Einfluss der katholischen Kirche und der römischen Kultur geprägt wird, ist in der ganzen Welt bekannt. Obwohl Rom heute mehr als vier Millionen Menschen und mehr als zwei Millionen Autos beherbergt und von Straßen, Plätzen und Gebäuden bedeckt ist, gibt es eine verborgene natürliche Welt, die innerhalb ihrer Grenzen überlebt hat.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 1

Urbaner Jäger
Städtische Gebiete können komplexe Lebensräume bieten, und in Rom verbirgt fast jeder Winkel ein wildes Geheimnis. Die alten Gebäude des Forum Romanum beherbergen eine große Population von Mauergeckos (Tarentola mauritanica). Dank zahlreicher Spalten und Löcher in den Wänden finden diese Tiere ausreichend Unterschlupf. Sie sind überwiegend nachtaktiv und bleiben tagsüber verborgen. Trotz ihrer nächtlichen Lebensweise ist ein bewölkter Tag eine gute Alternative für ihre Jagdaktivitäten. Dieses prächtige Exemplar fand ich auf einer alten Mauer des Palatinhügels.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 2

Alien in der Stadt
Ein Halsbandsittich (Psittacula krameri) ruht sich in der antiken Mauer des Forum Romanum im Zentrum von Rom aus. Kolonien dieser Art besiedeln mittlerweile zahlreiche europäische Städte. Bei diesen Papageien handelt es sich um eine gebietsfremde, invasive Art, die durch die globale Erwärmung, die sich im Mittelmeerraum stark auswirkt, und durch die ökologische Nische, die städtische Lebensräume diesen Neuankömmlingen bieten, begünstigt werden. Die Sittiche sind in der Tat Stadtbewohner, die sich gut an das urbane Leben angepasst haben, indem sie die Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen und Nistplätzen nutzen. Ihre Ausbreitung bedroht andere Höhlenbrüter und Fledermäuse, mit denen sie um Löcher und Höhlen in Gebäuden und Bäumen konkurrieren.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 3

Über der Stadt
Über Straßen und Gebäuden hat ein wachsames Augenpaar alles im Blick. Der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist ein Spitzenprädator. Nachdem er in den 1980er Jahren in Italien aufgrund von DDT, illegaler Jagd und Luftverschmutzung fast ausgestorben war, ist der Wanderfalke heute in urbanen Regionen wie Rom weit verbreitet. Mit mehr als 20 Paaren ist die städtische Wanderfalkenpopulation mittlerweile an ihre Obergrenze gestoßen. In jüngster Zeit wurden neue Reviere besetzt, darunter die antiken Mauern des Kolosseums im Stadtzentrum. Im Rahmen meines Promotionsprojekts untersuche und überwache ich einige Paare, indem ich ihnen künstliche Nistkästen auf hohen Gebäuden anbiete.
(Das Foto wurde mit Genehmigung der Stadt Rom und des archäologischen Parks des Kolosseums aufgenommen; der Wanderfalke blieb bis in die Nacht hinein ungestört auf seiner Sitzstange. Ich danke Valerio Cortopassi und Luca Soriano für ihre Hilfe bei den Drohnenaktivitäten.)

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 4

Gottes Schwingen
Die Felsentaube (Columba livia) hat wahrscheinlich schon immer in Rom gelebt und sich zusammen mit dem Menschen in diesem urbanen Umfeld entwickelt. Der Petersdom mit seiner ständigen Präsenz von Touristen und Gläubigen zieht unzählige Tauben und andere Stadtvögel an, die dort auf der Suche nach Nahrung fündig werden.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 5

Begegnung bei Sonnenaufgang
Der Italienische Wolf (Canis lupus italicus) ist ein scheues und vorsichtiges Tier. Aufgrund seiner nächtlichen Lebensweise ist es nicht einfach, ihn zu beobachten. Dieser junge Wolfsrüde hielt sich in den Vororten eines kleinen Dorfes an der Mittelmeerküste auf. Nach mehrtägigen Versuchen entdeckte ich ihn auf einer schmalen Straße am Waldrand. Ich legte mich an den Straßenrand, damit ich das Gegenlicht nutzen konnte, während sich der Wolf näherte.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 6

Nachtkrabbe
Die Stadt Rom beherbergt viele seltene und gefährdete Arthropoden. Unter ihnen ist die Europäische Süßwasserkrabbe (Potamon fluviatile) sicherlich die überraschendste. Die städtische Krabbenpopulation ist seit Jahrhunderten genetisch und geografisch isoliert und weist infolgedessen ein insulares Gigantismus-Phänomen auf. Diese Süßwasserkrabben überleben in Rom nur an einem einzigen Ort: in der Kanalisation des Forum Romanum, zwischen Kanälen und unterirdischen Teichen, nur wenige Meter unterhalb der Straßen, auf denen sich Millionen von Touristen bewegen. Diese vom Aussterben bedrohten Krebse sind vor allem durch Katzen, Ratten und Möwen bedroht, die in dieser städtischen Umgebung ihre Hauptfeinde sind. Nach der Entdeckung der Krabben auf dem Forum Romanum im Jahr 2005 sind mehr als 90 % der Population durch archäologische Ausgrabungen und die Nachstellung durch Fressfeine verschwunden. Ein großer Teil ihres Verbreitungsgebiets wurde mittlerweile durch den Bau von Fußgängerbrücken und Erdarbeiten für U-Bahnen unwiederbringlich zerstört.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 7

Rattenrennen
Großstädte beherbergen viele Tierarten, doch die Wanderratte (Rattus norvegicus) gehört sicherlich zu den vom Menschen am meisten gehassten. Die Zahl der Ratten in den Städten nimmt zu, denn diese kleinen Nager verfügen über erstaunliche Fähigkeiten, um in der Großstadt zu überleben. Sie leben in Kolonien im Untergrund und nutzen menschliche Abfälle und andere Ressourcen. In Rom wird die berühmte Engelsburg in der Nähe des Vatikanviertels nachts von unzähligen Ratten auf der Suche nach Nahrung heimgesucht. Trotz ihrer großen Zahl sind die Tiere sehr scheu und flüchten sofort, wenn man sich nähert. Zwischen den Müllsäcken auf der Straße stellte ich nachts meine Fotofalle auf, um die Aktivitäten der Ratten zu fotografieren. Ich wollte mit dieser Perspektive den Kontrast zwischen dem geliebten Monument, einem Symbol Roms, und den verhassten Ratten darstellen. Das geheime Leben dieser harmlosen Tiere zu zeigen, kann den Menschen helfen, ihre Anwesenheit in großen Städten zu akzeptieren.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 8

Müllverwertung
Die Verstädterung dringt zunehmend in viele natürliche Lebensräume ein und schadet der biologischen Vielfalt erheblich. Es gibt jedoch einige Arten, die es geschafft haben, die Ressourcen des Menschen zu nutzen. In den letzten Jahren wurde Rom von einer Wildschweinpopulation (Sus scrofa) besiedelt, die von den Abfällen im Stadtzentrum angelockt wurde. Seit einigen Monaten verfolge ich eine Wildschweinfamilie auf der Straße vor meinem Haus und beobachte, wie sie nachts im Müll wühlen. Ihre Anwesenheit zwischen dichtem Straßenverkehr und unvorbereiteten Passanten kann sowohl für Menschen als auch für die Tiere selbst zur Gefahr werden. Eines Tages tauchte nachts ein umstrittenes Graffiti auf einem der Müllcontainer in der Straße auf: Das Gesicht eines ironischen Wildschweins lächelte auf der Wand des Containers. Schon in der ersten Nacht stellte ich meine Fotofalle auf und wartete einige Meter entfernt im Auto, um die Ankunft der Wildschweine zu fotografieren, doch nichts passierte. In mehreren aufeinander folgenden Nächten versuchte ich, ein gutes Bild zu machen, wobei ich ständig von neugierigen Leuten umgeben war, bis schließlich die gesamte Wildschweinfamilie beschloss, in der Nähe des Graffiti-Müllcontainers zu fressen.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 9
Prinz Charming
Städtische Lebensräume scheinen auf den ersten Blick für Wildtiere ungeeignet zu sein, bieten aber manchmal kleine sichere Nischen für anpassungsfähige Arten. Auf dem Forum Romanum im Stadtzentrum von Rom, inmitten der antiken Gebäude des Römischen Reiches, vermehrt sich seit Jahrhunderten eine kleine Population der Balearen-Wechselkröte (Bufotes balearicus). In einem kleinen Brunnen im Haus der Vestalinnen, treffen sich in den Frühlingsnächten Dutzende von Kröten, um sich in der Dunkelheit fortzupflanzen. Wie andere Amphibien auch, ist diese Art aufgrund von Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung und Klimawandel stark bedroht. Im Großstadtdschungel von Rom gefangen, ist ihr Überleben eng an die Existenz eines einzigen kleinen Brunnens gebunden.

Gianluca Damiani | Urban Jungle - 10
Im Fluss
Die in Südamerika beheimatete Nutria (Myocastor coypus) hat sich in den letzten Jahren an italienischen Flüssen ausgebreitet, nachdem einige Exemplare illegal ausgesetzt worden waren. Dank der höheren Temperaturen und der Abwesenheit von Fressfeinden sind städtische Gebiete attraktiv für diese Art, die sich schnell in mehreren italienischen Städten wie Rom niedergelassen und dem Lauf des Tibers folgend das Stadtzentrum erreicht hat. Obwohl sie von Einheimischen und Touristen nur selten gesehen werden, sind sie im gesamten Stadtgebiet verbreitet. Dieses Nagetier, eine weitere invasive, gebietsfremde Art, die sich städtische Lebensräume zunutze machen kann, sorgt in Italien für Schlagzeilen: Die Schäden, die sie durch ihre Wühltätigkeit an Flüssen und Bächen verursacht, stellen eine große Bedrohung dar. Ich habe mehrere Sommernächte damit verbracht, in den schmutzigen Fluss einzutauchen, um das versteckte Leben der Nutrias unter den Brücken von Rom zu dokumentieren. Um das natürliche Verhalten dieses Tieres ohne Störung aus der Nähe fotografieren zu können, benutzte ich einen Fernauslöser.