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Offener Brief in Erwiderung der Kolumne von Silke Bednarz “Geschichten aus dem Stora Sjöfallets Nationalpark“ im „forum naturfotografie“ 4/2017.
Ich veröffentliche diese Erwiderung hier im Forum, weil ich nach nunmehr sieben Wochen weder von Herrn Bednarz, noch von der Redaktion der "forum naturfotografie" noch vom Vorstand der GDT eine Antwort auf meinen Brief erhalten haben. Das ist mindestens stillos.
So nicht, Herr Bednarz!
In der vierten Ausgabe 2017 des Forum Naturfotografie berichten Sie wieder einmal in der, wie Sie ja gerne kokettieren, ihnen eigenen Art der Pointierung, über eine Ihrer Fototouren in den hohen Norden Skandinaviens. Ich nehme diesen Artikel “Geschichten aus dem Stora Sjöfallets Nationalpark“ nun zum Anlass Ihnen darauf zu antworten.
Woher, Herr Bednarz, nehmen Sie eigentlich das Recht, die Welt um Sie herum, so unreflektiert und mitunter schlicht unwahr dem Leser näher zu bringen? Ihre Haltung zur Naturfotografie, Ihre Vorliebe für die Landschaftsfotografie, ja selbst der abgehobene Blick auf die eigenen Kollegen sind persönliche Statements, die Ihnen als Kolumnist zustehen. In diesem Sinne können Sie selbstverständlich hinterfragen, ob es sinnvoll ist, in einem Nationalpark auf Tiere zu schießen, also in bestimmter Form in den Naturhaushalt eines Schutzgebietes einzugreifen. Ja selbst die Frage, warum Menschen bequemer Weise überall mit Hilfsmitteln wie „importierten Sherpas oder Hubschraubern“ hingelangen müssen, ist im Sinne einer Kolumne sicherlich statthaft. Diese „Bequemlinge“ haben wahrscheinlich sogar ganz normal im Hotel geschlafen und nicht in einem Auto auf dem örtlichen Parkplatz, wie Sie es ja gewöhnlich vorziehen. Kann man so kundtun. Sie können auch gerne Kaffee unter einem Abdach getrunken als „edles Gesöff“ bezeichnen, ja selbst Ihre persönliche Vorliebe für Kurztrips mit Zelt, mehr wie drei Tage in der freien Natur schaffen Sie ja nicht mehr, wie Sie uns wissen ließen, dürfen Sie gerne der Leserschaft im Rahmen einer Kolumne mitteilen.
Ein unerträglicher Stil ist es jedoch, wenn Sie Ihre Meinung absolut setzen und jede nicht dazu kongruente Meinung, etwa die anderer Natursuchender oder die der Naturfotografen, gnadenlos abqualifizieren. Unmöglich ist es zudem, Ihre vor Ort Erlebnisse unreflektiert unter die Leute zu bringen. Viele Ihrer Aussagen beruhen entweder auf Nichtwissen oder Ignoranz und sind schlicht falsch. Ganz übel wird es nun in der oben genannten Kolumne, wo Sie mit den Sami gleich eine ganze Volksgruppe verunglimpfen und deren Handeln nicht nur moralisch verurteilen, sondern sogar außerhalb der gelten Gesetze stellen.
Eigentlich wissen Sie, dass das Gebiet des Stora Stöfallets Nationalparks wie die benachbarten Nationalparke Muddus, Sarek und Padjelanta sowie einige weitere kleinere Naturreservate zum 1996 anerkannten Laponia Weltnatur- und Weltkulturerbe Gebiet gehören - und alle im Zentrum der ehemaligen Sami Stammesgebiete liegen. Eigentlich sollten Sie auch wissen, dass sich die Verwaltung dieser Gebiete die ansässigen Sami Gemeinden, die regionale Landesverwaltung und die staatliche Naturschutzbehörde gleichberechtigt teilen. Solch ein Nationalparkmanagement - bei dem die indigene, in diesem Fall samische Kultur integrierter Bestandteil ist, gibt es sonst nirgends auf der Welt! Entsprechend groß war die internationale Aufmerksamkeit bei der Verleihung des Welterbe-Status und erneut zur Eröffnung des ersten, gemeinsam konzipierten Naturparkzentrums. Das, was andere indigene Völker gerne in ihren Gebieten erreicht hätten, ist den Sami in Schweden zumindest in Ansätzen gelungen. Für die Weltgemeinschaft war diese „Einigung“ zwischen Sami und schwedischem Staat ein großartiger Erfolg, gerade in Zeiten, in denen oftmals nationale, monetäre Interessen über das wohl von Randgruppen und Naturschutz gestellt werden. Hier wurde also ein besonderes Nationalparkzentrum eröffnet, auf das die Sami sehr stolz sind, weil dort Ihre Geschichte ernst genommen wird. Der Maorihäuptling war somit zurecht nach Schweden zur Eröffnung des Besucherzentrums gereist und anstatt selber abzureisen, hätten Sie gut daran getan, an der Eröffnungszeremonie teilzunehmen. Sich darüber zu mokieren, dass ein Bediensteter die „Unterwäsche“ des Ehrengastes wäscht, nützt weder Ihrer Kolumne noch dem Leser derselben, das ist schlicht dumm.
Auf dieser von Ihnen verschmähten Festveranstaltung ist nämlich zum wiederholten Male kundgetan worden - und wie wir spätestens nach der Lektüre Ihrer Kolumne wissen, auch notwendigerweise -, dass die Sami das vom schwedischen Reichstag und damit dem schwedischen Volk verbürgte Recht haben, in ihren Gebieten (und zum Teil darüber hinaus) Rentiere zu halten, um damit zu wirtschaften. Das tun sie, wie auch in den Jahrhunderten zuvor; und ebenso tradiert, dezimieren sie örtlich die Prädatoren, die ihren Renntierherden gefährlich werden könnten. Auch dieses Recht hat ihnen das schwedische Parlament eingeräumt. Ihre in diesem Zusammenhang in diesem Artikel stehende, ganz und gar blödsinnige Einlassung über Spitzmäuse und Marienkäfer dient doch nur Ihrem auf die Spitze getriebenen Samibashing. Ihre Aufforderung an die Leser selber einmal die Jagdausübung im NP zu versuchen, gekoppelt mit dem Verweis auf die allgemeine schwedische Gesetzgebung ist eine Unverschämtheit und unterstellt den Sami direkt sie handelten gegen das Gesetz. Das tun sie mitnichten, ob Sie, Herr Bednarz, das gut finden oder nicht.
Sie schreiben, dass der Nationalpark bereits 1909 gegründet wurde und verweisen in diesem Zusammenhang -warum eigentlich? - auf die durch die Sami verursachten hohen Fluchtdistanzen der Tiere. Nichts schreiben Sie darüber, dass der schwedische Staat denselben Naturpark wenige Jahre nach seiner Gründung bereits wieder verkleinerte, um eine wirtschaftliche Nutzung der inmitten liegenden Wasserfälle sicherzustellen. Ich lese auch nichts dazu, dass die wirtschaftliche Nutzung immer mehr Naturräume in Schweden einschränkt, alte Lebensräume (oftmals die der Sami!) stark verdichtet und so erst Probleme in der Landnutzung schafft. Ein Phänomen, welches nicht nur Nordschweden betrifft, sondern auch Finnland, wo die Ausbeutung der Waldbestände und Bodenschätze durch internationale Konzerne immer mehr Raum fordert und die Sami auf wenige Prozent ihrer ehemals angestammten Weidegebiete zurückgedrängt hat.
Trotz dieser sicherlich unerfreulichen und für die Natur katastrophalen Probleme gilt, wenn Staaten wie Schweden, Finnland oder auch Norwegen meinen, sie müssten im Rahmen ihrer Wirtschaft Bodenschätze erschließen, Wälder abholzen oder Stauseen und Wasserkraftwerke errichten, so sind das nationale Entscheidungen demokratisch regierter Länder. Dennoch haben es die Sami in Schweden geschafft, direkt in diese Prozesse einzugreifen und im Rahmen einer demokratisch legitimierten Autonomie ihre Weidewirtschaft zu sichern. Wir sollten uns lieber darüber Gedanken machen, dass den Sami in Finnland trotz eigener parlamentarischer Vertretung genau dies eben nicht zu gelingen scheint. Was aus ihren Gebieten wird, können Sie an vielen Stellen bereits jetzt erleben. Dagegen ist die Natur im Stora Sjöfallets Nationalpark nahezu paradiesisch - ein Umstand, den Sie nach vier Seiten Motzerei übrigens selbst einräumen.
Sehr geehrter Herr Bednarz, Sie haben zudem mitnichten das Recht, an für Touristen gesperrten Stellen Nationalparkgebiet zu betreten und ich finde es schwer verwunderlich, dass Sie diesen Rechtsbruch auch noch in einer Kolumne publizieren! Das geht schon gar nicht, wenn Sie gleichzeitig dem Leser suggerieren, die Sami machen hier eh schon was sie wollen - dann könnten Sie dies ebenfalls tun. Stellen Sie sich mal vor, jeder Tourist - und das sind Sie schließlich - nimmt sich heraus, abseits der vorgeschriebenen Wege in die Naturschutzgebiete einzudringen. Wenn in einem Nationalpark Straßen für den Publikumsverkehr gesperrt sind, aber für Versorgungsfahrzeuge und/oder die Sami freier Zugang besteht, dann ist das zu respektieren. Auch in Deutschland sind, wie sie ja selber anmerken, Straßen in Naturschutzgebieten für den allgemeinen Verkehr gesperrt, für die übrigens auch bei uns durchaus übliche Forstwirtschaft und die dazu notwendigen Versorgungsfahrzeuge jedoch freigegeben. Seien Sie doch andersherum froh, dass es in fast allen Teilen des Stora Sjöfallets Nationalparks noch möglich ist, sich weitgehend frei in der Natur zu bewegen. Sie nutzen diesen Umstand ja schließlich selber.
In diesem Zusammenhang: Was haben die unseligen Grenzzaun Pläne des Präsidenten der USA mit den Zäunen der Sami bzw. der Nationalparkverwaltung zu tun? Das ist - mit Verlaub - dumme Polemik! Warum vergleichen Sie nicht die Zäune der Schafzüchter Nordschottlands, der Orkney´s und der Shetland´s oder vieler weiterer Staaten in Schutzgebieten? Warum stören dortige Fangeinrichtungen für Schafe oder Kühe nicht Ihr persönliches Wohlbefinden? Weil Sie dann nicht mehr so ein „es ist alles scheiße mit den Sami“ Geschreibe betreiben können? Gleiches gilt übrigens für die völlig unqualifizierte und aus dem Zusammenhang gerissene Bemerkung zum Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns.
So geht Kolumne nicht, Herr Bednarz! Gehen Sie mal in sich.
Dr. Michael Haverkamp
Geeste, den 19.2.2018