Zur Geschichte der Naturfotografie in Mecklenburg-Vorpommern 1949-1990

VON FLORIAN NESSLER 0 KOMMENTARE 16.01.2018

Ein Beitrag über die Geschichte der Naturfotografie in Mecklenburg-Vorpommern von Florian Nessler

Im Zuge meines Studiums habe ich mich auch mit der Geschichte des Naturschutzes (und damit verbundenen Naturfotografie) in Deutschland beschäftigt und im Jahr 2016 die folgende, kurze Arbeit verfasst. Dabei gebe ich einen (sicherlich nicht vollständigen) Überblick über die Entwicklung der Naturfotografie zu DDR-Zeiten in meinem Heimatbundesland Mecklenburg-Vorpommern. Besonders spannend fande ich wie viele der damals (publizistisch) aktiven Naturfotografen im Naturschutz tätig waren und auch schon vor 60 Jahren den Zeigefinger mahnend gegen sich ungebührlich in der Natur verhaltende Fotografenkollegen/-innen erhoben haben. 

 

Einleitung 

Bilder aus der uns umgebenden Natur prägen seit jeher unsere Kultur. Die Darstellungen von Auerochsen und anderen Tieren in den Wandbildern der frankokantabrischen Höhlenkunst, die eine unglaubliche Naturnähe vermittelnden Landschaftsgemälde Caspar David Friedrichs, die farbenprächtigen, fast schon impressionistischen Werke William Turners oder auch die monochrom erscheinenden Fotografien der Arktis und ihrer Tierwelt von Vincent Munier: Sie alle haben unsere natürliche Umwelt als Vorlage, sie berühren etwas tief in uns, faszinieren uns, lassen uns träumen oder ehrfürchtig innehalten. Diese Arbeit soll aber nicht die Werke zuvor genannter behandeln. Über Malerei, egal in welcher Epoche der Menschheitsgeschichte, haben sich schon genug Leute an anderer Stelle die Köpfe zerbrochen, auch mit Werken über die Fotografie wurden bereits ganze Bücherregale gefüllt. Ich werde einen Ausflug in die Geschichte der Naturfotografie zu Zeiten der DDR meines Heimatbundeslandes Mecklenburg-Vorpommern wagen, ein paar der prägenden Charaktere dieser Zeit benennen, Motivationen und Herangehensweisen beschreiben, sowie versuchen die enge Verflechtung von Naturschutz und Naturfotografie aufzuzeigen.

Geschichte der Naturfotografie in MV 1949-1990

„Aus Freude an der Natur, an Hirsch und Reh, an Vogel und Schmetterling wurde ich Tierfotograf.“ (Kantak, 1954, S.1) So beginnt Friedrich Kantak sein (Foto-)Buch über die Sturmmöwen Langenwerders und beschreibt damit in einem Satz, was ihn und viele andere Menschen seitdem zu Kamera und Wanderstiefeln hat greifen lassen, um die Natur zu erkunden und in Bildern festzuhalten. Kantaks 1954 erschienenes Buch über die kleine Vogelinsel Langenwerder, nördlich der Insel Poel gelegen, war nach dem 2. Weltkrieg wohl eines der ersten umfassenderen Dokumente naturfotografischer Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern. Er beschreibt darin nicht nur die Lage, Ausdehnung und Geschichte der Insel, sondern auch ausführlich das Verhalten der dort lebenden Möwen, Seeschwalben und weiterer Vögel, die er zu allen Jahreszeiten auf der Insel studiert und fotografiert hat. Auch wenn er sich in erster Linie als Naturfotograf sah, kommt der Beschreibung seiner Beobachtungen eine nicht unwesentliche Rolle zu und nimmt einen Großteil des Buches ein. Die 79 farblosen Abbildungen dienen oft nur der visuellen Unterstützung dieser Texte und zeigen zum Beispiel verschiedene Verhaltensweisen, Brutstätten oder Flugbilder der Vögel. Reine Naturdokumente oder wie Kantak 1939 schrieb „wissenschaftlich wertvolle Natururkunden“, welche  ihm nur als solche galten, „wenn sie ohne jeden Eingriff in die Natur und ohne die helfende Hand des Retuscheurs, technisch einwandfrei, eine möglichst lückenlose Aufnahmereihe biologisch interessanter Momente aus dem Leben eines Tieres zeigen.“ (Kantak, 1939, S.31) Zur fotografischen Arbeit und Herangehensweise verliert er nur wenige Worte, in denen aber zu erahnen ist, mit welcher unglaublichen Geduld und Ausdauer er Stunde um Stunde, Tag um Tag, bei jeglichem Wind und Wetter im Tarnzelt ausharrte, stets darauf bedacht die Tiere nicht zu stören und in ihrem natürlichem Verhalten zu beeinflussen, um die gewünschten Bilder zu erlangen. Dass sich nicht jeder Mensch gleichsam behutsam in diesem besonderen Lebensraum bewegte und somit eine Gefahr für die ansässige Vogelwelt darstellte, wusste Kantak und schrieb auch den „“Tierfotografen“, die von keinerlei Kenntnissen über die Lebensweise der Seevögel getrübt, unbedingt die Zwergseeschwalben fotografieren wollen[…]“ (Kantak, 1954, S.71) eine nicht unbedeutende Rolle hierbei zu. Wenige Jahre später wurden in der Zeitschrift Wissen und Leben einige Bilder von der Zeit auf Langenwerder publiziert und im begleitenden Text besonders auf die naturschutzfachlichen Probleme, wie das Absammeln der Eier durch die Einwohner der Insel Poel, aufmerksam gemacht. (Kantak, 1957, S.594)

Etwa zur gleichen Zeit arbeitete Helmut Drechsler, ein Fotograf und Schriftsteller aus dem sächsischen Colditz, am Galenbecker See an einem Bildband über die damals noch vom Aussterben bedrohten Höckerschwäne. (Hoyer & Hoyer, 2009, S.9) Wildschwäne über Uhlenhorst war mit seinen farbigen Bildern und poetischen Textpassagen praktisch das genaue Gegenteil von Kantaks fast schon wissenschaftlicher Abhandlung über die Vogelwelt Langenwerders. Kurzweilige Textpassagen wechseln sich mit prächtigen Farbbildern ab, gehen ineinander über, vermischen sich zu Berichten von Reisen, denen immer ein Hauch von Abenteuer anhaftet.

Was beide aber verband war die Liebe zur Natur, der Wille, durch ihre Bilder dem Menschen die Schönheit der Natur zu vermitteln und so zum Schutz dieser beizutragen. So schrieb Karl Behrend im Vorwort zu Aus der Praxis der Tierfotografie:„Die Liebe zur Natur und zu den Tieren klang aus seinen Berichten, und wer seine vielen Tierbücher kennt, weiß, wie ernst es ihm darum war.“ (Drechsler & Moll, 1968, S.7) Drechsler war bestrebt durch Vorträge, Filme und Bücher seine Mitmenschen so weit wie möglich an dieser Liebe teilhaben zu lassen. Neben dem am Galenbecker See entstandenen Bildband war er noch Autor zahlreicher weiterer Publikationen wie Teichsommer, Uhu-Dämmerung oder Die Kraniche vom Weißen Lug. Während einer Exkursion in das ferne Afrika verunglückte Drechsler allerdings und erlag am Morgen des 4. Februar 1960 seinen Verletzungen. (Drechsler & Moll, 1968, S.7) Sein unvollendetes Manuskript für ein Buch, welches als Anleitung für den „ernsthaft und gewissenhaft forschenden Tierfotografen“ (Drechsler & Moll, 1968, S.7) dienen sollte, gab Karl Behrend in die Hände des Warener Naturfotografen Karl-Heinz Moll, der es schließlich vollendete. Aus der Praxis der Tierfotografie – Jagd mit der Kamera auf Tiere in freier Wildbahn ist somit kein Bildband, der mit den bisher erschienen zu vergleichen wäre. So wird sich mit der Frage auseinandergesetzt, was überhaupt unter Tierfotografie verstanden werden soll, ob sie „im Zeitalter der Sputniks und interplanetarischen Raketen – überhaupt noch Sinn[…]“ (Drechsler & Moll, 1968, S.16) hat. Es wird wie schon bei Kantak auf das Foto als „Natur-Urkunde“, sprich auf „die fotografische (oder filmische) Darstellung eines Tieres in freier Wildbahn, ohne jede Beeinflussung des Tieres und ohne jede Veränderung seiner natürlichen Umwelt“ (Drechsler & Moll, 1968, S.17) hingewiesen. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich allein mit dem Verhältnis von Tierfotografie und Naturschutz zueinander und beginnt mit den eindeutigen Worten „Tierfotografie und Naturschutz sind eng miteinander verbunden; sie stehen in Wechselwirkung zueinander.“ (Drechsler & Moll, 1968, S.22). Zusätzlich wird  das Naturschutzgesetz der DDR zitiert und auf die für die naturfotografische Arbeit wichtigen Paragraphen hingewiesen sowie der Tierfotograf mit deutlichen Worten dazu angehalten sich an diese zu halten; „denn wenn das Naturschutzgesetz kein totes, bedrucktes Papier bleiben, sondern Leben gewinnen soll, ist es unbedingt notwendig, daß die Tierfotografen sich nach ihm richten.“ (Drechsler & Moll, 1968, S.143). Die Aufmerksamkeit, die Drechsler und Moll diesem Thema widmen, zeigt, wie ernst es ihnen mit dem Schutz der Natur und dem Ruf der Naturfotografen in Naturschutzkreisen war. So wird auch an anderer Stelle erneut das Thema aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass „die Tierfotografie in diesen Gebieten (Naturschutzgebiete, Anm. d. Verf.) nur dem einen Zweck zu dienen [hat]: der wissenschaftlichen Arbeit.“ (Drechsler & Moll, 1968, S.142) dass, um dem gerecht zu werden, jahrelange gewissenhafte Arbeit von Nöten ist und ein kurzer Sommeraufenthalt lediglich Material für einen knappen Reisebericht liefern kann, mehr aber auch nicht. Tierfotografen sollen zum Wohle der Tiere arbeiten, nicht zum Selbstzweck. Und vor allem Anfänger sollen sich ihre Sporen erst „an den Wohnstätten weniger empfindlicher Tiere“ verdienen, bevor sie sich an „Horste vom Aussterben bedrohter Vögel“ oder gar in Naturschutzgebiete wagen, denn diese seien schließlich „keine Übungsplätze für Anfänger!“ (Drechsler & Moll, 1968, S.143). Drechsler und Moll ermahnen allerdings nicht nur die eigenen Kollegen zu einer naturschutzfachlich korrekten Herangehensweise, sondern heben auch den Zeigefinger gegenüber dem übereifrigen Naturschützer, der allzu leicht den Naturfotografen z.B. die Schuld am Rückgang der Weißstörche gibt oder behauptet, dass „die heimatliche Tierwelt durch die Tierfotografie in Gefahr [sei]!“. (Drechsler & Moll, 1968, S.25-26) Man kann über dieses Buch wohl mit gutem Recht behaupten, dass es nicht nur eine Ansammlung von Tipps und Tricks für den interessierten Tierfotografen ist, vielmehr ist es eine Anleitung, eher eine Anweisung, ein Arbeitsauftrag, an alle Naturfotografen mit ihrer (fotografischen) Arbeit den Schutz der Natur mit allen Mitteln zu unterstützen, sich an geltendes (Naturschutz-)Recht zu halten und nie die Liebe zu sich selbst oder zu der Fotografie über die Liebe zur Natur zu stellen.

Es gab aber auch kritische Stimmen, die Drechsler einen manchmal etwas unvorbildlichen Umgang mit den fotografierten Tieren vorwarfen und ihn gar als „zwiespältig[en] Naturkunder“ (Hemke, 2009, S.61-62) bezeichneten. Inwieweit diesen Aussagen handfeste Tatsachen zu Grunde lagen kann ich nicht beurteilen, allerdings ist auf manchen seiner Arbeitsbilder (Abb.1) schon zu erkennen, dass oft ein nicht unwesentlicher Eingriff von Drechsler und seinem Team in die Natur und direkte Nestumgebung vorgenommen wurde.  

Helmut Drechsler mit seiner Ausrüstung am Schwanennest aus: Drechsler, 1965: S.47

Nichts desto trotz hat Drechsler mit seinen Arbeiten, die ja zu einem nicht unwesentlichen Teil in Mecklenburg entstanden sind, eine ganze Generation von Naturfotografen geprägt und dafür gesorgt, dass schützenswerte Gebiete, wie z.B. der Galenbecker See, weiterhin als solche erkannt wurden. Und er hat in zahlreichen Vorträgen, in denen bis 1953 fast zwei Millionen Menschen erreicht wurden (Bräuer, 2009, S.67), eine breite Öffentlichkeit für die Schönheit der heimischen Natur und Tierwelt begeistert. Am Galenbecker See erinnert heute, dank des Einsatzes des NABU-Kreisverbandes Mecklenburg-Strelitz, ein Helmut-Drechsler-Pfad, sowie die Helmut-Drechsler-Aussicht an die Arbeit des Naturfotografen. (Hemke, 2009, S.60)

Neben der Vollendung von Drechslers Buchmanuskripts war Karl-Heinz Moll auch selbst publizistisch tätig und veröffentlichte z.B. Anfang der 1960er Jahre den Bildband In den Wäldern der Hirsche und einige Jahre später Unter Adlern und Kranichen. Beide Bücher in Mecklenburg, vor allem im Müritzgebiet, entstanden, ausschließlich mit schwarzweiß Aufnahmen und langen, die Erlebnisse des Naturfotografen wiedergebenden Texten gefüllt, reihten sich ein in die Reihe von hauptsächlich  dokumentarischen, oft fast schon wissenschaftlichen Fotobüchern, die bis dahin erschienen waren. Nachdem 1949 der Rat des Kreises Waren ein Gebiet von fast 5000 ha im Osten der Müritz (NSG „Ostufer der Müritz“) unter Schutz stellte, wurde Karl-Heinz Moll von Karl Bartels als erster Naturschutzwart des Gebiets eingesetzt und hatte nun optimale Bedingungen, um seiner naturfotografischen Leidenschaft nachzugehen. (Kremp, et al., 2013, S.113) Er wurde nicht müde zu betonen, dass vor allem der Naturfotograf eine besondere Verantwortung gegenüber seinen Motiven habe und leider durch die wachsende Zahl „derjenigen, die Tiere fotografieren möchten […], eine gewisse Gefahr“ im Besonderen für die Vogelwelt bestehe. (Moll, 1960, S.235) Allerdings unterstrich er auch hier noch einmal den  wissenschaftlichen Wert einer einwandfreien Natururkunde und die vor allem in zahlreichen Stunden im Versteck gemachten Beobachtungen für das Verständnis der Biologie der fotografierten Tiere. (Moll, 1960, S.235)

Neben Karl-Heinz Moll waren in der Warener Umgebung auch Horst Schröder und Dietrich Röpke besonders naturfotografisch aktiv. Horst Schröder kam 1956 an die Müritz, um im Warener Museum die Nachfolge von Helmut Richter als Naturwissenschaftlicher Assistent anzutreten (Schröder, 2006, S.2) und Dietrich Roepke war zu damaliger Zeit Kreisnaturschutzbeauftragter für den Kreis Waren. (Behrens & Ziese, 2007, S.352) Beide waren in dem Fotolehrband von Drechsler und Moll mit Fotoarbeiten vertreten und hatten auch selbst in eigenen Büchern, in Tageszeitungen und Illustrierten, Kalendern  und vor allem naturschutzfachlichen Zeitschriften publiziert. Hier einzelne Arbeiten herauszuheben fällt schwer, doch der von Horst Schröder verfasste Bildband Faszination der Nähe, mit seinen großformatigen, farbigen Makrofotos und einer Auflage von 84.000 Exemplaren, stellte schon ein Novum zu dieser Zeit dar und versucht dem interessierten Naturfotografen, neben den begehrten, aber zurecht streng geschützten Arten wie Adler und Co. eine spannende und vielfältige Motivalternative näher zu bringen. Neben den zahlreichen Druckwerken wurden zur Öffentlichkeitsarbeit auch viele Vorträge gehalten. So berichteten Moll, Schröder und Roepke insgesamt auf wohl über 7.000 (Schröder, 2006, S.9, Behrens & Ziese, 2007, S.352) von der „Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse“ (später Urania) organisierten Veranstaltungen über Ihre Erlebnisse in der Natur. Man kann wohl mit gutem Recht behaupten, dass der Personenkreis um Moll im Warener Gebiet das naturfotografische Zentrum der DDR dieser Zeit bildete. So schrieb auch Schröder in seinen Erinnerungen an die Zeit in Waren: „Ich war in dem zoologischen, naturschützerischen, tierfotografischen Mekka der DDR gelandet!“ (Schröder, 2006, S.3) Was dort zu dieser Zeit an für den Naturschutz wichtiger Arbeit geleistet wurde, kann auch trotz aller bekannter, Zahlen und Fakten nur erahnt werden, aber was deutlich wird, ist die bedeutende Rolle der (Natur-)Fotografie in diesem Zusammenhang für die Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes.

Die Bilder dieser Zeit hatten nach wie vor einen fast ausschließlich dokumentarischen Charakter und die Texte handelten von den unmittelbaren Erlebnissen der Fotografen oder wissenschaftlichen Darstellungen der beobachteten Tiere. Mit dem 1969 erschienenen Buch Der Wald der großen Vögel änderte sich dies etwas, denn Wolf Spillner betrat die naturfotografische Bühne. Er gab nicht nur sein Debüt als Naturfotograf, sondern auch als Naturschriftsteller. Inspiration für seine Werke fand Spillner in der Natur Westmecklenburgs, die er nicht nur bewunderte, sondern auch mit seiner Arbeit zu schützen versuchte. In seinen Büchern wird immer wieder auf die Beziehung zwischen Mensch/(Land-)Wirtschaft und Natur(-schutz) eingegangen und darauf aufmerksam gemacht, dass Naturschutz nicht nur „eine Sache von ein paar romantischen Schwärmern [sei], die jede Blume und jeden alten Baum am liebsten unter eine Glasglocke stellen wollten“ (Spillner, 1971, S.197), sondern ein komplexes Thema, welches viele Bereiche der Gesellschaft berühre. Dass auch einige als schützenswert erachtete Gebiete erst durch das Wirtschaften des Menschen zu diesen geworden sind und dass der Erhalt dieser nur durch weitere, kontrollierte Eingriffe des Menschen zu gewährleisten wäre. (Spillner, 1971, S.197) Neben Der Wald der großen Vögel  erschienen noch zahlreiche weitere Bildbände, die sich oft mit einem bestimmten Lebensraum beschäftigen wie Das Vogeljahr der Küste oder Land unter dem Wind oder überregionale Themen behandelten wie Durch Urwald und Dünensand, in dem Bilder zu sehen sind aus Naturschutzgebieten und Nationalparks der CSSR, VR Polen und DDR. Auch zahlreiche Kinderbücher wurden von Spillner verfasst, wie z.B. das 1984 erschienene Buch Wasseramsel, welches später als Vorlage diente für den Film Biologie!. Aufgrund der zahlreichen Publikationen, sowie der hohen Qualität der Fotos galt Spillner in jener Zeit zu Recht als einer der bekanntesten und wichtigsten Naturfotografen der DDR.

Während es um die Warener Gruppe aufgrund des Todes von Karl-Heinz Moll und des berufsmäßigen Umzugs Horst Schröders an das Stralsunder Meeresmuseum etwas ruhiger wurde, traten andere Naturfotografen in Erscheinung. Herauszuheben wäre hier vor allem Erich Hoyer, der in zahlreichen regionalen sowie überregionalen Tageszeitungen und Illustrierten sowie praktisch allen naturschutzfachlichen Publikationen der DDR mit seinen Bildern und Artikeln, z.B. über ornithologische Beobachtungen wie Eulen im Taubenschlag oder einer Serie über die Naturschutzgebiete Mecklenburgs, vertreten war. (StUG 470-1, 02.2016) Auch das Ehepaar Warmbier war, zwar nicht ganz so umfassend, mit zahlreichen Bildern und Beiträgen in der Presse präsent und hat viel über die naturschutzfachliche Arbeit im Bereich Anklam, vor allem im Anklammer Stadtbruch, berichtet.  So schreibt Heidemarie Warmbier im August 1983 über den Nachweis von 177 Vogelarten im NSG „Unteres Peenetal“und die bundesweite Bedeutung dieses Schutzgebietes für den Vogelschutz oder Norbert Warmbier über den Biberschutz bei Anklam, immer unterlegt mit zahlreichen Naturfotos. (StUG 470-1, 02.2016)

1982 wurde dann in der DDR die Gesellschaft für Fotografie gegründet, welche dem Kulturbund der DDR unterstand. In den regelmäßig durchgeführten Wettbewerben und Ausstellungen spielte allerdings die Naturfotografie eine eher untergeordnete Rolle. Das sozialistische Menschenbild war Mittelpunkt der meisten Arbeiten, kritische Naturfotografie hätte sich ja auch mit den hässlichen Aspekten der Industrialisierung und Landwirtschaft auseinandersetzen können und war somit nicht gerne gesehen. Aus diesem Grund wurden in einer Art Kompromiss in Potsdam Wettbewerbe zum Thema „Akt und Landschaft“ veranstaltet und der Landschaftsbegriff stark ausgeweitet, sodass auch die Naturfotografie, die sich über die Tierfotografie hinaus mit der Natur beschäftigte, eine kleine Bühne zur Schau bekam. Kurze Zeit später schloss sich in Sachsen ein Arbeitskreis von Tierfotografen zusammen, der wohl, mit der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen in Westdeutschland, die Anregung war eine ähnliche Gemeinschaft auch in Schröders „tierfotografischem Mekka“ zu schaffen. (Wölfel, 2016) Auf die Initiative Erich Hoyers gründete sich schließlich der Arbeitskreis Mecklenburger Tierfotografen (AMT) und im April 1988 trafen sich 12 Fotofreunde aus Mecklenburg zu einer Gründungsversammlung, aus der Erich Hoyer als Vorsitzender und Peter Wernicke als sein Stellvertreter hervorgingen.  Weitere Mitglieder waren z.B. die bereits genannten Wolf Spillner und Dietrich Roepke. In einem zur Gründung aufgesetzten Schreiben wurde betont, dass ein gewisser fotografischer Leistungsstand von den Mitgliedern des AMT erwartet wird und auch klare Anforderungen an das Arbeiten und Verhalten in der Natur gestellt werden. Oberste Prämisse war, dass, egal, ob Tier oder Pflanze, die Natur immer Vorrang und das Foto im Zweifel zurückzustehen habe. So wurde u.a. formuliert: „Grundanliegen der Mitglieder des AMT ist die Unterstützung und Propagierung des Naturschutzes“ und weiter: „Eine entsprechende Breitenwirkung der Fotos im Sinne des Naturschutzes setzt selbstverständlich eine bestimmte Qualität voraus. Solche dann berechtigt als Natururkunden bezeichneten Lichtbilder können nur entstehen, wenn der Mann (oder die Frau) hinter der Kamera neben den biologischen Kenntnissen auch die fotografische Theorie und Praxis beherrscht.“ (Gründungsschreiben des AMT, Privatarchiv Wernicke) Aufgrund dieses Prioritätsprinzips sah sich der AMT wohl veranlasst sich im Kulturbund der DDR nicht in der Gesellschaft für Fotografie (GfF), sondern in der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) anzusiedeln, was eine enge Zusammenarbeit mit der GfF aber nicht ausschloss. (Gründungsschreiben des AMT, 1988, Privatarchiv Wernicke)

Diese letzte wichtige Amtshandlung kurz vor dem Ende der DDR und die guten Beziehungen Erich Hoyers zu Fritz Pölking, der in der BRD die Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) gegründet hatte, waren schließlich der Grundstein dafür, dass nach der Wiedervereinigung alle Mitglieder des AMT in die nun bundesweit agierende Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) aufgenommen wurden und ein neues Zuhause fanden. Heute lebt der Arbeitskreis Mecklenburger Tierfotografen weiter in der Regionalgruppe IX der GDT, Peter Wernicke und Hans-Dieter Graf sind seit der Gründung des AMT 1988 immer noch aktive Mitglieder. (Schreiben von E. Hoyer zum Übergang in die GDT, 1990, Privatarchiv Wernicke) 

Abschließende Überlegungen

Über Ereignisse und Geschehnisse in der Geschichte der Menschheit zu schreiben, die man selbst nicht erlebt hat, ist ja immer so eine Sache. Auf der einen Seite wird der Blick auf das Thema nicht durch emotionale Erinnerungen und das oft doch sehr selektiv arbeitende Gedächtnis getrübt, auf der anderen Seite kann man nur auf durch eben diese Faktoren beeinflusste Quellen zurückgreifen. So wird einem gerne jegliche Kompetenz von älteren und damit vermeintlich besser zur Beurteilung der Geschichte geeigneten Menschen abgesprochen, wenn es darum geht, geschichtliche Themen aufzuarbeiten und zu bewerten. Die Fotografie, im Speziellen das Foto als Endprodukt, bietet da auf den ersten Blick natürlich den Vorteil, dass dem Betrachter immer ein Blick in die wirkliche, unkommentierte, neutrale Vergangenheit ermöglicht wird. Doch auch dies erweist sich bei näherer Betrachtung als Trugschluss. Jeder Fotograf hat die Möglichkeit, mit der Wahl des Bildausschnittes und Aufnahmetechnik, vor allem aber mit der Retusche und Nachbearbeitung, den Betrachter seine eigene Version von Wirklichkeit sehen zu lassen. Aufgrund dieser Tatsachen ist diese Arbeit nicht als der Weisheit letzter Schluss zu betrachten. Ich habe die mir zur Verfügung stehenden Quellen nach bestem Wissen und Gewissen bearbeitet und die für mich als besonders relevant erscheinenden Punkte herausgegriffen und näher betrachtet. Besonders auffällig war für mich dabei, wie oft doch die jeweiligen Fotografen auf die Prämissen zum richtigen Umgang mit dem zu fotografierenden Objekt, der Pflanze, dem Tier, der Landschaft, hingewiesen haben und nicht müde geworden sind zu betonen, dass das Fotografieren nie über dem Wohl der Natur stehen sollte, im Zweifel man also auf ein Bild zu verzichten habe, statt es mit aller Macht und ohne Rücksicht auf Verluste zu machen. Auch wenn dies Selbstverständlichkeiten sein sollten, bestimmen sie immer noch die Diskussion über Naturfotografie, sodass selbst das Bundesamt für Naturschutz im letzten Jahr zu einem Workshop „Ethik und Naturschutz in der Naturfotografie“ auf die Insel Vilm geladen hat. (BfN, 2015)

Betrachtet man den Bildstil dieser Zeit, fällt auf, dass ein Großteil der Arbeiten rein dokumentarischer Natur war. Das Tier und oft ein bestimmtes Verhalten oder die Pflanze wurden versucht, möglichst naturgetreu abzubilden. Wenn es ging, formatfüllend, im „besten“ Mittagslicht, um im Zweifel auch die Art möglichst genau bestimmen zu können. In den Begleittexten und Berichten wurden die Tiere „überlistet“, „erlegt“, die Bilder als „Trophäen“ präsentiert. Der Tierfotograf war ebenso Jäger, wenn auch mit der Kamera statt dem Gewehr bewaffnet. Dies soll nicht (ab-)wertend verstanden werden, denn der damaligen Zeit entsprechend war ein Foto eines seltenen oder scheuen Tieres, wie Seeadler, Rothirsch oder Höckerschwan, durchaus etwas Besonderes und hat sicherlich vielen Menschen die Augen für den Wert der heimischen Natur geöffnet. Auffällig war auch die oft in den Büchern durchklingende, tiefe Verbundenheit zur Natur und die daraus folgende Tatsache, dass viele der Naturfotografen früher direkt im Naturschutz aktiv waren. Mir ist schon bewusst, dass ich nur einen Bruchteil der damals aktiven Naturfotografen, nämlich den hauptsächlich publizistisch aktiven Teil,  betrachtet habe und damit keine allgemeingültige Aussage für die Gesamtheit der Naturfotografen möglich ist, aber ich denke schon, dass früher die Natur von den Naturfotografen anders als schützenswert wahrgenommen wurde als heute. Dass auch der Kranich vor der Haustür noch zum Staunen taugte. Oder warum zieht es heute so viele Fotografen nach Island, Norwegen, Spitzbergen oder Südamerika? Auch wenn es heute ebenfalls noch Naturfotografen gibt, die ihrer direkten Umgebung viel Aufmerksamkeit widmen, geht der Trend im Allgemeinen doch in Richtung weiter weg, abenteuerlicher, exotischer, extremer. Auch der Hang zur Selbstdarstellung scheint mir zugenommen zu haben. Oft habe ich mich schon gefragt, ob das fotografische Projekt jetzt dazu diente, ein bestimmtes Thema zu beleuchten oder eher dazu, den Fotografen als abenteuerlichen, individuellen, coolen Typen dastehen zu lassen. Ich glaube, ein Großteil der Naturfotografen zu DDR Zeiten wäre auch ohne die Fotografie naturschützerisch in irgendeiner Form aktiv gewesen, ob dem heute auch so wäre, wage ich zu bezweifeln.

Quellen

  

Behrens, H. & Ziese, B., 2007. Lexikon der Naturschutzbeauftragten, Band 1: Mecklenburg-Vorpommern. Neubrandenburg: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V. an der Hochschule Neubrandenburg.

Bundesamt für Naturschutz (BfN), 2015. Ethik und Naturschutz in der Naturfotografie, Einladung zum Expertenworkshop auf die Insel Vilm. WWW: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/ina/Dokumente/Kalender/2015-09-Flyer_Ethik_u_Naturfotografie.pdf (04.02.2016)

Bräuer, A. P., 2009. In Memoriam Helmut Drechsler - Von Deutschland nach Afrika ein Leben ohne Rückkehr. 70 Jahre Naturschutzgebiet Galenbecker See, September, S. 65-69.

Drechsler, H., 1965. Pirsch mit Kamera und Feder - Erster Band. 1. Hrsg. Leipzig: Urania-Verlag.

Drechsler, H. & Moll, K. H., 1968. Aus der Praxis der Tierfotografie - Jagd mit der Kamera auf Tiere in freier Wildbahn. 2. Hrsg. Leipzig: VEB Fotokinoverlag.

Hemke, E., 2009. Helmut Drechsler und die Wildschwäne vom Galenbecker See. 70 Jahre Naturschutzgebiet Galenbecker See, September, pp. 59-62.

Hoyer, E. & Hoyer, H., 2009. Aus der Geschichte des Naturschutzes am Galenbecker See. 70 Jahre Naturschutzgebiet Galenbecker See, September, pp. 4-15.

Kantak, F., 1939. Photo-Studien mit Zeiss-Objektiven, Tiere vor der Kamera. Nr. 10 Hrsg. Jena: Kommissions-Verlag von Gustav Fischer.

Kantak, F., 1954. Sturmmöwen auf Langenwerder - Aus der Geschichte einer Vogelinsel. Wittenberg Lutherstadt: A.Ziemsen Verlag.

Kantak, F., 1957. Langenwerder - Vogelfreistätte an der Ostsee. Wissen und Leben, Heft 8, pp. 592-594.

Kremp, K., Graf, H.-D. & Heclau, G., 2013. Zur Geschichte der Fachgruppe Ornithologie "Karl Bartels" Waren (Müritz). Ornithologischer Rundbrief Mecklenburg-Vorpommern, SH 3, Band 47, pp. 112-121.

Moll, K.-H., 1960. Tierfotografie und Naturschutz. Natur und Heimat, 9. Jahrgang, pp. 235-237.

Moll, K.-H., 1967. Unter Adlern und Kranichen. 1. Hrsg. Lutherstadt Wittenberg: A. Ziemsen Verlag.

Privatarchiv Wernicke, P., 1988. Gründungsschreiben des AMT von Erich Hoyer, inkl. Mitgliederliste. Liegt dem Autor als Kopie vor.

Privatarchiv Wernicke, P., 1990. Schreiben von Erich Hoyer an die damaligen Mitglieder zum Übergang des AMT in die gesamtdeutsche GDT. Liegt dem Autor als Kopie vor.

Schröder, H., 1987. Faszination der Nähe. 5. Hrsg. Leipzig: VEB Fotokinoverlag Leipzig.

Schröder, H., 2006. Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert. 1956-2006 50 Jahre Fachgruppe Ornithologie "Karl Bartels" Waren (Müritz), SH, pp. 2-12.

Spillner, W., 1971. Land unter dem Wind. Berlin: VEB Deutscher Landwirtschaftsverlag.

StUG 470-1, 02.2016. Archivamaterial StUG 470-1. Hochschule Neubrandenburg: Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V.

Wölfel, Dr. L., 2016. Persönliches Interview, geführt vom Verfasser. Neubrandenburg, 02.02.2016.


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